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Politik

Die Stunde der Demokraten

22. März 2017

Bundespräsident Steinmeier redet nach seiner Vereidigung sofort Klartext. Von der Türkei verlangt er Mäßigung, Populisten bietet er die Stirn. Und er fordert "Mut zu Europa". Marcel Fürstenau meint: Chapeau!

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Steinmeier ruft zum Streit für die Demokratie auf

Berlin Zeremonie Vereidigung Steinmeier Abschied Gauck
Der Neue und der Alte: Joachim Gauck (r.) umarmt seinen Nachfolger Frank-Walter SteinmeierBild: Getty Images/AFP/O. Andersen

Diese Rede kam zur rechten Zeit. Frank-Walter Steinmeier, der seit Sonntag amtierende und an diesem Mittwoch in Berlin vereidigte Bundespräsident, hielt ein fulminantes Plädoyer für die Werte der Demokratie und ihre Verteidigung. Um Missverständnisse zu vermeiden: Das tat auch sein Vorgänger Joachim Gauck fünf Jahre lang auf beeindruckende Weise. Aber es ist gut zu wissen, dass sein Nachfolger auf seine Art daran anknüpft. Mit Leidenschaft und Engagement. Und, wie Steinmeier selber sagte: überparteilich, aber nicht neutral.

Der ehemalige Außenminister mischt sich ein - und wie! Er fordert den türkischen Präsidenten Erdogan auf, Signale der Entspannung zu senden. Steinmeier verlangt ausdrücklich die Freilassung des inhaftierten türkisch-deutschen Journalisten Deniz Yücel. Und: "Beenden Sie die unsäglichen Nazi-Vergleiche!" Danke, Herr Bundespräsident! Auch dafür, dass Sie diese klare Botschaft Richtung Ankara nachdrücklich, aber nicht überheblich zum Ausdruck gebracht haben.

Kein begnadeter Redner, aber begeisternde Worte

Steinmeier würdigte die "Periode der Annäherung an Europa", die das Land am Bosporus zwei Jahrzehnte lang ja tatsächlich vollzogen hat. Es war mehr als eine rhetorische Floskel, die "vielen Menschen türkischer Abstammung" zu erwähnen, die in Deutschland leben, arbeiten und hier zuhause sind. Es sind jene, die Mitte April beim Verfassungsreferendum mit darüber entscheiden können, ob Erdogan noch mehr Macht erhält. Natürlich waren Steinmeiers Türkei-Anmerkungen keine plumpe Wahlempfehlung. Aber er nutzte die Gelegenheit, sein Idealbild von einer lebendigen Demokratie zu zeichnen. "Wir müssen wieder lernen, für sie zu streiten!" Wie wahr!

Kommentarfoto Marcel Fürstenau Hauptstadtstudio
DW-Hauptstadtkorrespondent Marcel Fürstenau saß bei der Vereidigung auf der Tribüne des BundestagsBild: DW/S. Eichberg

Auch wenn Steinmeier - im Unterschied zu seinem Vorgänger - kein begnadeter Redner ist, konnten seine Worte zum Amtsantritt begeistern. Auf jeden Fall jene, die von der plumpen, primitiven Sprache der Populisten die Nase voll haben. Jenen Populisten, die in Deutschland und andernorts krakeelend durch die Straßen ziehen. Aber auch jenen, die in der amerikanischen und diversen europäischen Hauptstädten die Hebel der Macht in ihren Händen halten. "Vielstimmig dagegenhalten!" lautet Steinmeiers Devise. Ein Appell, der hoffentlich nicht nur im Plenarsaal des Bundestages Gehör findet.

Bedeutende Worte eines deutschen und europäischen Patrioten

Diese erste Rede des neuen Bundespräsidenten war nötig. Es war die Rede eines deutschen und europäischen Patrioten. Aufgeklärter Patriotismus und Einstehen für Europa gehen Hand in Hand, betonte Steinmeier zu Recht. Dass er diese Überzeugung mit Selbstbewusstsein und Zuversicht vortrug, lässt seine Worte noch wertvoller erscheinen. Das neue deutsche Staatsoberhaupt ist sich seiner Sache sicher - ohne Hochmut und Besserwisserei. Auch und gerade gegenüber der Türkei nicht. Die Vereidigung Steinmeiers, seine Rede und die seines Vorgängers waren eine dringend notwendige Kampfansage der Demokraten an all ihre Gegner.        

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Deutsche Welle Marcel Fürstenau Kommentarbild ohne Mikrofon
Marcel Fürstenau Autor und Reporter für Politik & Zeitgeschichte - Schwerpunkt: Deutschland