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Kommentar: Die Ukraine bekräftigt Kurs auf Europa

Bernd Johann26. Oktober 2014

Pro-europäische Parteien haben im neuen ukrainischen Parlament eine klare Mehrheit. Aber auch alte Eliten und Populisten mischen mit. Das alte System ist nicht überwunden, aber die Chance ist da, meint Bernd Johann.

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Ukraine Wahl (Foto: Getty Images)
Bild: Getty Images

Die Ukrainer haben gewählt. Und es war vielleicht ihre wichtigste Wahl seit der Unabhängigkeit des Landes. Denn zum ersten Mal wird es im Parlament eine breite pro-westliche Mehrheit geben, die das Land reformieren und nach Europa führen könnte. Und zum ersten Mal kommen einige junge gesellschaftliche Aktivisten in die Werchowna Rada, die mit freiheitlichen und demokratischen Vorstellungen das Land verändern wollen. Sie kandidierten auf sicheren Listenplätzen und schafften so den Einzug ins Parlament.

Im vergangenen Winter haben sie auf der Straße zusammen mit Hunderttausenden anderer Menschen den Sturz des korrupten und autoritären Janukowitsch-Regimes herbeigeführt. Jetzt übernehmen sie politische Verantwortung im Parlament. Sie werden dort zeigen müssen, ob sie den Einfluss alter politischer Eliten und der Oligarchen, der reichen Geschäftsleute, die vor allem persönliche Interessen in der Politik verfolgen, zurückdrängen können.

Proeuropäische Mehrheit im neuen Parlament

Aktivisten des Maidan sind Sieger dieser Wahl ebenso wie die Parteien, die den politischen Umbruch damals unterstützt haben - allen voran das Wahlbündnis des Präsidenten "Block Petro Poroschenko“ und die Partei "Volksfront“ von Übergangsregierungschef Arsenij Jazenjuk. Zusammen haben beide Parteien eine Mehrheit im neuen Parlament und können das Land jetzt nach europäischem Vorbild modernisieren.

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Bernd JohannBild: DW/P. Henriksen

Zudem kommen als Koalitionspartner weitere Parteien in Betracht. Um die notwendigen und zum Teil schmerzhaften wirtschaftlichen und sozialen Reformen voran zu bringen, wäre ein solch breites Bündnis sinnvoll. Die vor allem in der Westukraine starke Partei "Selbsthilfe“, die erstmals in der Werchowna Rada vertreten sein wird, und vielleicht auch die "Vaterland“-Partei von Julia Timoschenko könnten helfen, um den Kurs nach Westen politisch breit abzusichern..

Alte Eliten werden mitmischen

Einfach wird das nicht, auch weil die pro-europäischen Kräfte unter persönlichen Rivalitäten leiden. Außerdem mischen im Parlament trotz vieler neuer Gesichter wieder alte Eliten mit, darunter ehemalige Vertraute von Janukowitsch, die einen "Oppositionsblock“ gebildet haben. Das ukrainische Wahlsystem mit seinem Mischsystem aus geschlossenen Listen und der Wahl von Direktkandidaten machte es außerdem auch diesmal offenbar wieder möglich, dass Parlamentsmandate von Personen mit Geld und Einfluss gekauft werden konnten.

Auch populistische und rechte Kräfte können die konstruktive Arbeit im Parlament erschweren. Doch sie haben einen viel kleineren Teil der Stimmen bekommen als erwartet. Der rechtsextreme "Rechte Sektor“ verpasste den Einzug ganz. Aber auch die nationalistische "Swoboda“ und die populistische "Radikale Partei“ befinden sich im Sinkflug. Für Politiker am rechten Rand haben die Ukrainer keine großen Sympathien.

Die Wahl legitimiert den Machtwechsel

Deshalb ist diese Wahl ein großer Erfolg für die Demokratie in der Ukraine. Der Machtwechsel wird legitimiert. Russland, das der bisherigen Übergangsregierung die Legitimität absprach und die Maidan-Akteure als Faschisten diffamierte, kann sich nicht mehr auf diese unsinnigen Argumente berufen. Die Ukrainer haben wie schon bei der Präsidentenwahl im Mai wieder mit überwältigender Mehrheit auf demokratische und gemäßigte Kräfte gesetzt

Selbst die Tatsache, dass viele Menschen aufgrund des Krieges im Osten der Ukraine nicht wählen konnten, ändert nichts an der Legitimität der Abstimmung. Die Mandate der betroffenen Wahlbezirke bleiben bis auf weiteres unbesetzt. Nicht Kiew, sondern Moskau hat durch die Annexion der Krim und die Unterstützung der Separatisten und Söldner im Donbass den dort lebenden Menschen die Chance auf Teilnahme an einer fairen und freien Wahl genommen.

Und diese Wahl führt die Ukraine weiter auf dem Weg nach Europa. Die Menschen in der Ukraine wollen diese europäische Perspektive. Das klare Wahlergebnis bietet dafür die große Chance. Jetzt müssen die Politiker in Kiew liefern. Und die Europäische Union sollte die Ukraine dabei unterstützen - auch mit der Aussicht auf eine EU-Mitgliedschaft.