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Im Herzen der Nation

Uta Thofern3. Juli 2008

Mit der Eröffnung der neuen US-Botschaft in Berlin schließt sich ein weit gespannter Kreis historischer Ereignisse. Uta Thofern zieht aus diesem Anlass eine positive Bilanz der deutsch-amerikanischen Beziehungen.

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Uta Thofern
Uta Thofern, Chefredakteurin DW-WORLD.DEBild: DW

Die Symbolik ist perfekt: Dass US-Botschafter William Timken am Freitag (04.07.2008) die neue US-amerikanische Vertretung am Pariser Platz eröffnen kann, mitten im historischen Zentrum Berlins und direkt am Brandenburger Tor, das steht für viele US-Amerikaner für die Erfüllung eines Traums. Ein Traum, der Frieden und Freiheit in Europa heißt, ein Ziel, an dem die USA fast ein Jahrhundert lang mit gearbeitet haben.

Der erste Weltkrieg markierte den Anfang des US-amerikanischen Engagements in Europa, das faktische Ende der Doktrin von der Nicht-Einmischung und der vollständigen Trennung der Neuen von der Alten Welt. Die erste große Katastrophe des 20. Jahrhunderts war zugleich der Beginn der politischen Globalisierung. 90 Jahre ist es her, dass der US-amerikanische Präsident Woodrow Wilson mit seinem 14-Punkte-Programm für eine Friedensordnung in Europa den Grundstein für den Völkerbund legte; in der Erkenntnis, dass nur eine geregelte internationale Zusammenarbeit die Chance auf eine dauerhafte Beilegung von Konflikten bringt.

Spezifische Tragik

Dass der Völkerbund nicht zuletzt daran scheiterte, dass die Beteiligung der Vereinigten Staaten nie zu Stande kam, dass ausgerechnet die USA selbst das geforderte Selbstbestimmungsrecht der Völker und die Regel der Einmischung nur mit internationalem Mandat in den folgenden Jahrzehnten immer wieder missachteten - darin liegt die spezifisch US-amerikanische Tragik. Die aus der historischen Selbsterfahrung geborene Mischung aus missionarischem Goodwill und absolutem Unabhängigkeitsanspruch resultierte allzu oft in trotzigem Aktionismus und riskanten Alleingängen; der Irakkrieg ist dafür nur das dramatischste Beispiel.

Das ändert jedoch nichts daran, dass die Vereinigten Staaten die Geschichte Europas im 20. Jahrhundert entscheidend beeinflusst haben, und zwar eindeutig positiv. Der nationalsozialistische Holocaust wäre ohne die USA eben so wenig beendet worden wie die stalinistischen Diktaturen der osteuropäischen Länder, die lange Zeit nicht zum freien Europa gehören durften. Die deutsche Einheit - letztlich der Auslöser für die weitergehende europäische Einigung - ist maßgeblich der US-Nachkriegspolitik und zum Schluss der klaren Haltung von George Bush senior zu verdanken.

Hilfe und Rahmen für Konfliktlösungen

Nun gibt es natürlich auch daran immer noch etwas auszusetzen: Das vereinte Deutschland hat immer noch ökonomische und soziale Probleme, die neuen EU-Mitglieder leiden zum Teil unter schwersten wirtschaftlichen Altlasten und verhalten sich auch nicht immer so, wie das Alte Europa es gern hätte, und überhaupt scheint die Europäische Union sich aufgrund mangelnder Zustimmung ihrer Bürger gerade im freien Fall zu befinden. Alles richtig - und alles im Rahmen der bestehenden Regeln und Allianzen friedlich lösbar.

Der Blick zurück auf die Schlachtfelder des letzten Jahrhunderts, auf die zweimalige Zerstörung weiter Teile Europas und die jahrzehntelange Unterdrückung vieler europäischer Nationen rückt den Maßstab für die Schwierigkeiten von heute zurecht. Dass Europa heute zweifelsohne in der Lage ist, Konflikte zivil zu lösen, das ist zu großen Teilen das Verdienst der USA und ihres auch militärischen Engagements für unsere Freiheit.

Wichtige Rolle für Europa

Deutschland hat von diesem Engagement am meisten profitiert: Vom Marshall-Plan zum wirtschaftlichen Wiederaufbau Westdeutschlands über die Luftbrücke zur Versorgung der in der sowjetischen Zone eingeschlossenen Stadt Berlin, von der jahrzehntelangen Stationierung US-amerikanischer Truppen zum Schutz vor sowjetischen Ansprüchen bis zur uneingeschränkten Unterstützung des Wunschs nach staatlicher Einheit - die USA haben die Deutschen nie im Stich gelassen, denn Deutschland war für sie der Schlüssel für Frieden und Freiheit in Europa.

Insofern schließt sich mit der Eröffnung der neuen US-amerikanischen Botschaft ein weit gespannter Kreis. Und doch handelt es sich nicht um eine Rückkehr, sondern um einen Neubeginn. Als das historische Gebäude am Pariser Platz 1939 bezogen wurde, hatten die USA ihren Botschafter bereits aus Nazi-Deutschland abberufen. William Timken wird der erste Vertreter der USA sein, der im Herzen Berlins am Brandenburger Tor residiert. Die nächsten Jahre müssen zeigen, ob auch in den deutsch-amerikanischen, den europäisch-amerikanischen Beziehungen ein Neubeginn möglich ist.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat als Nachfolgerin von Gerhard Schröder einen Anfang gemacht, das Zerwürfnis über den Irakkrieg in - durchaus kritischer - Verbundenheit zu überwinden. Mit dem Nachfolger von George Bush junior könnte es gelingen, wieder weit stärker zu gemeinsamem Handeln zu kommen. Die USA haben sich stets verantwortlich für die Freiheit gefühlt. Sie sind reif dafür, ihre Verantwortung zu teilen - mit denen, die den Wert der Freiheit kennen.