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Kommentar: Echo des Donbass auf Moskauer Straßen

Ingo Mannteufel28. Februar 2015

Der Putin-Kritiker Boris Nemzow ist auf offener Straße ermordet worden. Es ist zu befürchten, dass auch dieser Mord, wie so viele andere politisch motivierten Taten, nicht völlig aufgeklärt wird, meint Ingo Mannteufel.

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Russland Moskau Opposition Boris Nemzow erschossen
Bild: DW/Y. Vishnevets

Die Ermordung des liberalen russischen Politikers Boris Nemzow auf offener Straße in Moskau trägt klar die Züge eines Attentats. Dafür sprechen momentan alle Indizien. Der Verlauf der Tat: Nemzow wurde mit vier Schüssen in den Rücken getötet. Der Zeitpunkt: Für den morgigen Sonntag (1.3.2015) war im Moskauer Außenbezirk Marino ein Demonstrationszug angekündigt, der unter dem Motto "Frühling" gegen die russische Politik in der Ukraine protestieren wollte. Das Opfer: Boris Nemzow gehörte seit Jahren zu den führenden Köpfen der Anti-Putin-Opposition und hatte die für Sonntag geplante Protestaktion maßgeblich mitorganisiert.

Spekulationen und Verschwörungstheorien

Sicherlich ist es noch etwas zu früh und spekulativ, die politischen Folgen dieses Attentat zu deuten. Nötig ist erst einmal eine intensive Aufklärung der Tat und der Hintergründe, wobei dies angesichts der russischen Realität schwer vorstellbar ist. Da in Russland seit Jahren immer weniger ein sachlicher und faktenbezogener Austausch in der politischen Öffentlichkeit und in den Medien gepflegt wird, ist zu erwarten, dass in Kürze allerhand Vermutungen und Verschwörungstheorien zum Mord kursieren werden: Attentat aufgrund irgendwelcher Geschäftsinteressen von Boris Nemzow. Oder Ermordung, weil Nemzow den Kreml und den russischen Präsidenten Putin seit Jahren massiv kritisiert hat. Oder eine gewaltsam ausgetragene Fehde innerhalb der russischen Opposition. Oder die Tat russischer Nationalisten, die auch für das letzte politische Attentat 2009 auf den Menschenrechtsanwalt Stanislaw Markelow und die Journalistin Anastassia Baburowa verantwortlich waren. Zu befürchten ist, dass auch der Mord an Nemzow wie so viele andere politisch motivierten Taten nicht völlig aufgeklärt wird.

Ingo Mannteufel, Leiter der Europa-Redaktion der DW
Ingo Mannteufel, Leiter der Europa-Redaktion der DWBild: DW

Angesichts des für morgen eigentlich geplanten Protestzugs gegen die Kreml-Politik in der Ukraine spricht momentan viel dafür, die Hintergründe der Tat auch in diesem Kontext zu suchen. Wie Mitstreiter von Nemzow berichten nun, Nemzow wollte angeblich Fakten und Dokumente zur russischen Einmischung im Ukraine-Konflikt und zur Anwesenheit regulärer russischer Truppen im Donbass publizieren. Russische Rechtsextreme, die mit der Novorossija-Bewegung im Donbass verbunden sind, bejubeln jedenfalls in den russischen sozialen Medien schon die Ermordung von Boris Nemzow.

Attentat verstärkt politische Wirren in Moskau

Sicher ist, dass die brutale Ermordung eines führenden russischen Oppositionspolitikers das politische Klima in Russland noch weiter verschärfen wird. Der von Medien und Politikern gesäte Hass auf Andersdenkende und Kritiker der russischen Politik hat seit Jahren unerträgliche Züge erreicht. Die Porträts von Nemzow und anderen russischen Putin-Kritikern waren seit Jahren auch physisch Zielscheibe in den vom Kreml organisierten Jugendlagern. Deshalb sind auch gerade Präsident Putin und der Kreml für diese vergiftete politische Atmosphäre verantwortlich.