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Kommentar: Ein falsches Signal

Jens Thurau23. Mai 2014

Die Rechnung für das Rentenpaket der Regierung zahlen die Falschen, findet Jens Thurau. Und für das Krisen-Europa ist die Botschaft fatal.

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DW-Mitarbeiter Jens Thurau
Bild: DW/D. Engels

Wer in Deutschland 45 Jahre lang hart gearbeitet hat, dabei meistens in die Rentenkasse einzahlte, darf schon mit 63 statt mit 65 Jahren in Rente gehen und bekommt das gleiche Geld. Kann man das falsch finden? Schwer. Und weiter: Ab Juli bekommen Mütter, die vor 1992 Kinder zur Welt brachten, mehr Rente. Bislang galt das nur für die, die nach 1992 Nachwuchs bekamen. Kann man das falsch finden? Auch eigentlich nicht. Alles gut also bei den Rentenbeschlüssen, die die Regierung gegen anfangs heftigen Widerstand durch den Bundestag brachte?

Rechnung zahlen die Falschen

Nein, nicht alles gut. Vergessen werden bei den beiden Renten-Wohltaten der Regierung nämlich die Rentenzahler, vor allem die jungen. Die wissen jetzt schon, dass sie, wenn sie denn mal fertig sind mit dem Arbeiten, nur einen Bruchteil dessen bekommen werden, was heutigen Rentnern zusteht. Immer mehr Älteren stehen immer weniger Beitragszahler gegenüber, deren Berufsbiografien viel mehr als früher Brüchen und Änderungen unterworfen sind. Trotzdem hat die Regierung entschieden: Die Rentenbeitragszahler zahlen die Zeche, auch und vor allem die jungen.

Vor Jahren hat eine weitsichtige Regierung das Renteneintrittsalter herauf gesetzt – von 65 auf 67 Jahre. Vor allem die SPD hat dafür an den Wahlurnen schwer bluten müssen: Jetzt möchte sie das zumindest zum Teil wiedergutmachen. Und die CDU hatte immer schon ein Herz für die Mütter der Aufbaugeneration, aber nicht den Mut, die Mütterrente von allen Deutschen, also aus Steuermitteln, bezahlen zu lassen. Auch sie greift in die Rentenkasse. Dann muss man nicht sagen, welches politische Projekt man für die milliardenschwere Mütterrente drangibt.

Fatales Signal für Europa

Und dann ist da ja auch noch das Signal über die Grenzen Deutschlands: Den Euro-Krisenländern des Südens hat Angela Merkel harte Einschnitte in allen Sozialsystemen abverlangt für die Hilfspakete. Obwohl gerade Deutschland vom Euro profitiert hat wie kaum ein anders EU-Land. Jetzt sendet sie das entgegengesetzte Signal: Ihr müsst weiter hart sparen, wir können schon mal wieder ein paar Wohltaten verteilen.

Und noch in einer anderen Hinsicht sind die heutigen Beschlüsse das falsche Zeichen. Jüngste Untersuchungen haben gezeigt, wie gern viele ältere Menschen länger als bis 65 oder demnächst 67 Jahre arbeiten würden, wenn sie denn könnten. Fast ein bisschen verschämt erkennt die Regierung das an: Eine Arbeitsgruppe soll jetzt Vorschläge machen, wie ein zeitlich flexiblerer Eintritt in den Ruhestand möglich ist. Zumindest ein kleiner Hoffnungsschimmer.

Nochmal: Allen Menschen, die 45 Jahre lang geschuftet haben, allen Müttern und Väter ist das Mehr an Geld persönlich herzlich zu gönnen. Aber die Rechnung wird den Falschen präsentiert. Und über Deutschlands Grenzen hinaus ist das Signal fatal.