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Ein Schaustück der Regierung

Jens Thurau8. Mai 2014

Der Bundesregierung ist das Verhältnis zu den USA wichtiger als der Wunsch deutscher Parlamentarier, die NSA-Abhöraffäre aufzuklären. Edward Snowden wird wohl kaum als Zeuge nach Deutschland kommen, meint Jens Thurau.

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DW-Mitarbeiter Jens Thurau (Foto: DW/Dagmar Engel)
DW-Hauptstadtkorrespondent Jens ThurauBild: DW/D. Engels

Wer legt in Deutschland fest, was im Interesse des Staates liegt? Die Regierung? Oder das Parlament? In der NSA-Affäre hat das fürs Erste die Regierung getan. Indem sie entschied, dass Edward Snowden keine Einreise nach Deutschland erhalten würde, wenn er vom Untersuchungsausschuss des Bundestages nach Berlin eingeladen würde. Klar, auch die Kanzlerin war empört, als sie erfuhr, dass ihr Handy vom US-Geheimdienst abgehört wurde - sie ist es bis heute. Auch ist sie befremdet über die offenbar flächendeckende Überwachung großer Bevölkerungsteile - und auch über die Chuzpe, mit der die Amerikaner das rechtfertigen. Aber Angela Merkel hat entschieden: Deutschland braucht die USA: Vor allem als Sicherheitsgarant in einer wieder unsicherer werdenden Welt - siehe Ukraine-Konflikt. Deshalb soll das Verhältnis zu den USA nicht weiter strapaziert werden. Schon gar nicht, in dem der Untersuchungsausschuss des Bundestages den Ex-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden in Berlin als Zeugen vernimmt.

Weil aber die Bevölkerung das als Katzbuckeln vor den Amerikanern empfinden könnte, wird gerade ein ganz besonderes Schaustück im Parlament aufgeführt: Formal sind jetzt auch die Regierungsfraktionen von Union und SPD - wie die Opposition - im Untersuchungssauschuss dafür, den in Moskau ausharrenden Ex-Geheimdienstler, der die Affäre erst ins Rollen brachte, irgendwie einzuvernehmen. Aber nicht in Deutschland, so die CDU, denn dann müsste die Regierung Farbe bekennen und für seine Sicherheit sorgen. Die Amerikaner haben seine Auslieferung beantragt. Kommt Deutschland dem nicht nach, obwohl Snowden deutschen Boden betreten hat, droht eine Eiszeit zwischen Berlin und Washington. Ein Konflikt, den die Kanzlerin nicht eingehen will.

Wie und wo will man Snowden befragen?

Dann vielleicht in Moskau? Per Videoschalte? Per Fragebogen? Gar in der deutschen Botschaft, vor ausgewählten Ausschussmitgliedern? Oder an einem geheimen anderen Ort? Sicher, alles denkbar. Aber eine solche Befragung wäre wenig ergiebig, das geben selbst die meisten Parlamentarier zu - gleich welcher Partei sie angehören. Snowden könnte in Moskau wohl kaum frei auf alle Fragen antworten.

Also, was soll das Ganze? Snowdens Vernehmung in Berlin ist so gut wie ausgeschlossen. Aber der Streit um ihn lenkt ab von anderen wichtigen Themen im Ausschuss, etwa dem, wie intensiv amerikanische oder britische Geheimdienste mit deutschen kooperieren, auch bei der Ausspähung der Bevölkerung - und was Deutschland überhaupt gegen die Spähattacken tun kann.

Merkel ist machtlos

Stattdessen bedienen die Regierungsfraktionen das scheinbare Aufklärungsinteresse, in dem sie jetzt alle für eine Snowden-Befragung sind - wohl wissend (und inständig hoffend), dass er nicht kommt und seine Befragung in Russland nicht weiterführen würde.

Der Regierung kann das nur recht sein: Wenn andere streiten, muss Angela Merkel nicht offenbaren, dass sie nichts gegen die USA-Spähattacken tun kann - und dass sie das auch offenbar gar nicht mehr will.