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Einsatz in der Endlosschleife

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Nina Werkhäuser
20. Dezember 2015

Ursprünglich wollte die Bundeswehr 2016 ihren Afghanistan-Einsatz weiter reduzieren. Nun schickt sie wegen der fragilen Sicherheitslage wieder mehr Soldaten. Nina Werkhäuser bezweifelt, dass das etwas bringt.

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Deutsche Soldaten sichern ein Feldlager in Afghanistan, Foto: dpa
Bild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

Afghanistan lässt die Bundeswehr nicht los. Zwar wurde der bisher größte und verlustreichste Einsatz der Bundeswehr, der unter dem Kürzel "ISAF" firmierte, vor einem Jahr beendet. Die Hoffnung aber, nach einer Phase der militärischen "Nachsorge" 2016 den endgültigen Rückzug der deutschen Soldaten einzuläuten, hat das Verteidigungsministerium inzwischen begraben. Der Grund: Ende September nahmen die Taliban in einem Handstreich Kundus ein - jene nordafghanische Stadt, die auch dank der jahrelangen Präsenz deutscher Soldaten als relativ sicher galt.

Der Schock von Kundus

Wie relativ Sicherheit und wie vergänglich Stabilität in Afghanistan ist, zeigte der Schock von Kundus. Die Stadt fiel binnen Stunden in die Hände der Taliban, und ihre Rückeroberung gelang der afghanischen Armee nur mit massiver Unterstützung von US-Truppen. Das wirft natürlich die Frage auf, wie nachhaltig die jahrelange Ausbildung der afghanischen Sicherheitskräfte durch Amerikaner, Deutsche und viele andere war? Und wie erfolgreich kann die jetzige Ausbildungsmission "Resolute Support" überhaupt sein, wenn sowohl die Verluste als auch die Fluktuation bei Armee und Polizei hoch sind? Wenn sich viele Afghanen dem Staat, den es zu verteidigen gilt, nicht sonderlich verbunden fühlen?

Anfang 2016 stockt die Bundeswehr ihr Kontingent wieder auf, die Obergrenze liegt dann bei knapp 1.000 Soldaten. Die Militärberater unter ihnen sollen der afghanischen Armee erklären, was sie besser machen könnte beim nächsten Großangriff der Taliban. Natürlich spricht einiges dafür, ein krisengeschütteltes Land nicht im Stich zu lassen, sondern ihm mit Beratung und Geld zur Seite zu stehen. Dennoch sind Zweifel angebracht, ob hier nicht Wasser in ein Fass ohne Boden geschüttet wird.

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Nina Werkhäuser, Korrespondentin im Hauptstadtstudio

Trotz massiver internationaler Hilfe sind die Probleme Afghanistans die gleichen wie vor zehn, vor acht oder vor fünf Jahren: schlechte Regierungsführung, Korruption und fehlende Wirtschaftsperspektiven, dazu der Machtkampf mit den Taliban, Anschläge und allgemeine Unsicherheit. Angesichts von Hunderttausenden Afghanen, die das Land in jüngster Zeit verlassen haben oder noch verlassen wollen, muss man sogar annehmen, dass die Situation sich dramatisch verschlechtert hat. "Ich will hier weg, wie komme ich nach Deutschland?" fragen Afghanen, wenn sie in ihrer Heimat auf einen Deutschen treffen.

Afghanen müssen Afghanistan stabilisieren

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hat dazu eine sehr richtige Bemerkung gemacht: Es könne nicht angehen, dass Deutschland über Jahre Soldaten zur Stabilisierung nach Afghanistan schicke, während gleichzeitig die afghanischen Eliten das Land verließen. Afghanistan könne letztlich nur von den Afghanen selbst stabilisiert werden. Wohl wahr - aber genau daran hapert es. Wenn die Grundfesten einer Gesellschaft wanken, helfen im Zweifelsfall weder Beratung noch Geld, beides wird versickern.

Ob mehr deutsche Soldaten in Afghanistan mehr bewirken können, ist also fraglich. Die Bundesregierung täte gut daran, die Situation in einem halben Jahr erneut schonungslos zu analysieren. Und, falls es keine messbaren Fortschritte gibt, den endgültigen Abzug der Bundeswehr nicht zu scheuen.

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