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Erfolg nur mit der Türkei

Panagiotis Kouparanis DW Korrespondent Berlin
Panagiotis Kouparanis
9. April 2016

Die neuesten Zahlen belegen, dass der Flüchtlingsstrom über die Ägäis nach Griechenland drastisch zurückgegangen ist. Ohne Hilfe aus Ankara wäre das nicht möglich gewesen, meint Panagiotis Kouparanis.

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Bild: picture-alliance/dpa/M.Golejewsk

Seit dem Sommer vergangenen Jahres, als Hunderttausende von Menschen begannen sich auf den Weg in die EU zu machen, musste Griechenland sehr viel Kritik einstecken. Wieder einmal sollte es seine Hausaufgaben machen. In diesem Fall ging es um die Sicherung der Grenze zur Türkei, die zugleich EU-Außengrenze ist. Doch kaum einer der Kritiker erklärte, was der Schutz der Grenze konkret bewirken soll.

Wenn Grenzschutz die völlige Abschottung sein soll, dann ist Griechenland sehr wohl in der Lage, mit Hilfe von Frontex seine Grenze zur Türkei zu schützen. Vorausgesetzt, es handelt sich um die Grenze auf dem Festland. Noch 2011 kamen über diesen über 200 Kilometer langen Grenzabschnitt rund 50.000 Menschen illegal nach Griechenland. Nachdem ein Jahr später ein Grenzzaun fertig gestellt und ein ausgeklügeltes automatisches Überwachungssystem installiert worden war, seit griechische Grenzpolizei und Frontex-Beamte zusammenarbeiten und auch die türkischen Grenzbehörden ihren Beitrag leisten, sind die illegalen Übertritte auf wenige Tausend zurückgegangen. Nur - fast 90 Prozent der Grenze zwischen Griechenland und der Türkei verlaufen im Meer. Was also soll hier "Schutz der EU-Außengrenze" bedeuten?

Jedes Boot wird erfasst

Dank der Zusammenarbeit von Frontex, NATO und griechischer Küstenwache wird in der Ägäis inzwischen jedes Boot erfasst, das sich vor dem türkischen Festland in Bewegung setzt. Und doch ist man geradezu machtlos, wenn ein überfülltes Schlauchboot voller Kinder, Frauen, alter Menschen und Männern griechisches Hoheitsgebiet erreicht. Ein Push-Back, ein Zurückdrängen der Flüchtlingsboote vom griechischen Hoheitsgebiet in türkische Gewässer widerspräche dem Völkerrecht. Genau so das Verweigern von Hilfe, wenn ein Boot in Seenot ist. Es bleiben allein zwei Alternativen: Die Menschen direkt auf hoher See retten oder das Boot bis an die Küste einer der griechischen Inseln begleiten.

"Schutz der EU-Außengrenze" heißt in diesen Fällen, dass alle, die unerlaubt den EU-Raum betreten haben, von den Behörden erfasst und wenn nötig festgesetzt werden. Inzwischen scheint das in Griechenland der Fall zu sein. Kaum ein Flüchtlingsboot gelangt auf eine Insel, ohne dass an der Küste Busse der griechischen Küstenwache warten. Die Neuankömmlinge werden in geschlossene Aufnahmezentren gebracht. Dort werden sie registriert und hier soll über einen eventuellen Asylantrag entschieden werden. Dass heißt, wenn denn irgendwann einmal die Asylrichter und -experten aus den anderen EU-Staaten ankommen und ihre Arbeit aufnehmen.

Quadriga 02.07.15 Panagiotis Kouparanis
DW-Korrespondent Panagiotis Kouparanis

Versteht man aber unter dem "Schutz der EU-Außengrenze" in der Ägäis, dass gar keine Menschen illegal griechisches Gebiet erreichen können, dann braucht es die Türkei. Nur sie ist in der Lage, die Schleusernetzwerke auf türkischem Boden zu bekämpfen und Flüchtlingsboote schon in türkischen Gewässern abzufangen. Wenn Ankara mitspielt, dann kann auch die Seegrenze fast unüberwindbar werden. Das ist seit einigen Tagen der Fall. Auf den griechischen Inseln kommen mittlerweile kaum noch Flüchtlingsboote an. Und nicht nur das: Auf der Basis des EU-Türkei-Abkommens kam es auch zu ersten Rückführungen von Migranten.

Die EU hat Zusagen gegeben

Dieser Deal hat allerdings für die EU ihren Preis. Daran erinnerte am Donnerstag der türkische Präsident Recep Tayyip Ergogan. Im Abkommen zwischen Ankara und der EU wurde der Türkei unter anderem Visafreiheit für seine Bürger ab Ende Juni in Aussicht gestellt. Außerdem hat Brüssel ein Wiederbeleben des EU-Beitrittsprozesses, bis zu sechs Milliarden Euro Hilfe für die Flüchtlinge in der Türkei und auch die Übernahme von syrischen Flüchtlingen aus der Türkei zugesagt.

Die EU-Mitgliedsstaaten sollten sich an die eingegangenen Verpflichtungen halten, aber gleichzeitig darauf pochen, dass auch Ankara seinen Teil erfüllt. Selbst wenn es vielen Europäern widerstrebt, den Stil des sich immer autokratischer gebärenden Erdogan zu akzeptieren - die Vorteile für die EU durch die Umsetzung der Vereinbarung sind größer. Die massive Reduktion des Flüchtlingsstroms verschafft der zerstrittenen EU die nötige Zeit, um sich sowohl über ein europäisches Asylrecht und -system, als auch über den effektiven Schutz seiner Außengrenzen zu verständigen. Und weshalb Visaerleichterungen für die Bürger der Türkei und die Öffnung von neuen Kapiteln in den EU-Beitrittsverhandlungen allein Erdogan nutzen sollten, ist nicht ersichtlich. Beides sind Schritte, welche die Türkei an Werte und Maßstäbe der EU heranführen - und nicht umgekehrt.

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