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Es droht Gegenwind aus Polen

Porträt eines Mannes, der eine Brille trägt
Bartosz Dudek
26. Oktober 2015

Polen wird künftig von der nationalkonservativen Partei "Recht und Gerechtigkeit" regiert. Dies kann weitreichende Folgen für die EU haben, meint Bartosz Dudek.

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Jaroslaw Kaczynski küsst die Hand von Beata Szydlo (Foto: REUTERS/Pawel Kopczynski)
Beata Szydlo steht künftig in erster Reihe, Jaroslaw Kaczynski zieht die Strippen aus dem HintergrundBild: REUTERS/Pawel Kopczynski

Es ist ein Erdrutschsieg der nationalkonservativen Partei von Jaroslaw Kaczynski "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) und ihrer Spitzenkandidatin Beata Szydlo. Die seit 8 Jahren regierende liberale Bürgerplattform (PO) der Premierministerin Ewa Kopacz muss sich mit dem zweiten Platz begnügen. Und sollten sich die ersten Hochrechnungen bestätigen, wird Polen zum ersten Mal seit Wiedererlangung der Unabhängigkeit vor einem Vierteljahrhundert von einer einzelnen Partei regiert.

Dabei haben die Wähler die Regierung abgewählt, die Polen sicher durch die Finanzkrise geführt hat und ein solides Wirtschaftswachstum vorzeigen konnte. Die Gründe dafür sind vielfältig. Der Großteil der Bewohner der grauen Kleinstädte und Dörfer in der polnischen Provinz hat offenbar zu wenig von den exzellenten Wirtschaftsdaten profitiert. Zudem hat der Wechsel des PO-Gründers und langjährigen Premierministers Donald Tusk nach Brüssel die Partei um ihren stärksten Kämpfer und brillanten politischen Kopf gebracht.

Neben der natürlichen Abnutzung der Regierungskoalition hat im vergangenen Jahr aber auch eine Abhöraffäre in vornehmen Warschauer Restaurants die Arroganz und vulgäre Sprache der PO-Politiker offenbart. Die fleißige, aber insgesamt eher blasse Nachfolgerin Tusks als Premierministerin, Ewa Kopacz, hatte dem sich nach der Abhöraffäre abzeichnenden Trend wenig entgegenzusetzen. Dafür konnte der Meister des politischen Taktierens, Jaroslaw Kaczynski, mit geschickten Personalentscheidungen, einer sehr guten Wahlkampagne und teuren Sozialversprechen punkten.

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Bartosz Dudek, Leiter der polnischen Redaktion der Deutschen Welle

Kaczynski setzt auf neue Gesichter

Ähnlich wie bei den Präsidentschaftswahlen im Sommer, die überraschenderweise vom bis dahin wenig bekannten PiS-Kandidaten Andrzej Duda gewonnen wurden, zog Kaczynski die Fäden aus der zweiten Reihe. Nach dem erprobten Muster setzte Kaczynski auch diesmal auf ein neues Gesicht: Die energische und volksnahe Beata Szydlo als Spitzenkandidatin. Die demonstrative Nähe zur einflussreichen katholischen Kirche und patriotische Rhetorik haben Kaczynski und Szydlo die Unterstützung der Bischöfe und somit auch die vieler Millionen konservativer Katholiken gebracht. Und anders als in den meisten westlichen Ländern hegt die polnische Jugend auffallend große Sympathien für die Konservativen. In der Altersgruppe der 18 bis 29-Jährigen gibt es kaum Vorlieben für die linken Parteien; die PiS ist auch hier eindeutig auf Platz eins, die liberale PO rangiert erst auf Platz vier.

Budapest in Warschau?

Eine möglicherweise allein regierende PiS kann zusammen mit dem nationalkonservativen Staatspräsidenten weitreichende Folgen für Europa haben. Jaroslaw Kaczynski machte keinen Hehl aus seiner Bewunderung für Ungarns zunehmend autokratisch regierenden Präsidenten Viktor Orban. Warschau, ähnlich wie Budapest, wird in der Flüchtlingskrise einen harten Kurs fahren. Auch Großbritanniens Premier David Cameron kann in Kaczynski mit seinem europaskeptischen Kurs einen Verbündeten finden.

Die Szydlo-Regierung mit ihrem Ziehvater im Hintergrund wird international die polnischen Interessen mit Nachdruck vertreten. Auch Kompromisse, etwa in der Energiepolitik, werden unwahrscheinlicher. Und: sollte PiS die teuren sozialen Versprechen tatsächlich realisieren, könnte Polen einen Weg einschlagen, der längerfristig in griechischen Verhältnissen enden kann.

Nicht nur Brüssel sondern auch Berlin dürfte mit der neuen Regierung in Warschau seine Schwierigkeiten haben. Programmiert sind hier vor allem Differenzen im Umgang mit Russland. Die neue Regierung in Warschau wird darauf pochen, die großen NATO-Verbände in Polen dauerhaft zu stationieren. Die antirussische Rhetorik wird zunehmen und die schon ohnehin eiskalten polnisch-russischen Beziehungen noch schlechter. Das krisengeschüttelte Europa wird möglicherwiese ein Problem mehr haben.

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Porträt eines Mannes, der eine Brille trägt
Bartosz Dudek Redakteur und Autor der DW Programs for Europe