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Politik

Es geht um die Zukunft des Kosovo

30. Juni 2020

Für die Demokratisierung des jungen Landes in Südosteuropa gibt es keine Alternative, als sich der Vergangenheit offen zu stellen - auch wenn das schmerzt und Einzelne hart treffen mag, meint Vilma Filaj-Ballvora.

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Kosovos Präsident Hashim Thaci vor der Flagge seines Landes
Kosovos Präsident Hashim Thaci vor der Flagge seines LandesBild: picture-alliance/dpa/C. Huby

Sichtlich angeschlagen, aber dennoch in ruhigem Ton und sehr kontrolliert hat sich der Präsident Kosovos, Hashim Thaçi, am Montag per Videobotschaft an sein Volk gewandt: Er werde sofort von seinem Amt zurücktreten, sollte die Anklage gegen ihn von den Richtern in Den Haag angenommen werden. Damit brach er endlich das unverständlich lange Schweigen, nachdem Mittwoch vergangener Woche die Staatsanwaltschaft am Sonder-Tribunal eine Anklage gegen ihn wegen Kriegsverbrechen veröffentlicht hatte.

Diese Nachricht hatte Thaçi auf dem Weg nach Washington erreicht, wo für Samstag ein Gipfeltreffen mit Serbien und US-Präsident Donald Trump im Weißen Haus geplant war. Vor allem die USA und ihr Sondervermittler Richard Grenell hatten vor dem Treffen Hoffnung auf einen Aufbruch im eingefrorenen Dialog der Nachbarn gemacht. Doch das Treffen wurde abgesagt.

Thaçi will im Amt bleiben - Wie soll das gehen?

Die Frist für die richterliche Annahme oder Ablehnung der Anklage gegen den kosovarischen Präsidenten läuft bis Oktober. Bis dahin will Thaçi im Amt bleiben. Dabei ist kaum vorstellbar, wie er Kosovo im Dialog mit Serbien weiter glaubhaft vertreten will. Seine Position am internationalen Verhandlungstisch ist durch die Anklage wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit massiv geschwächt.

Vilma Filaj-Ballvora leitet die Albanische Redaktion der DW
Vilma Filaj-Ballvora leitet die Albanische Redaktion

In seiner Stellungnahme beteuert Thaçi seine Unschuld, hob die Verdienste der UÇK, der Befreiungsarmee Kosovos, im Kampf für die Freiheit gegen die Unterdrückung des Milosevic-Regimes hervor und lobte die bisherigen Fortschritte im Kosovo. Nun sei ein neues, schwieriges Kapitel aufgeschlagen worden, aber Kosovo müsse sich der Vergangenheit stellen, betonte er. Er sei bereit, sich persönlich dem Prozess zu stellen, sollte die Anklage zugelassen werden.

Gleichzeitig warf er der Internationalen Gemeinschaft vor, Kosovo werde bei der Aufarbeitung des Krieges unverhältnismäßig behandelt. Dabei konnte sich Thaçi eine Bemerkung nicht verkneifen: Den Zeitpunkt der Bekanntmachung der vorläufigen Anklage und die Art der Mitteilung an ihn, seien - so der Präsident wörtlich - ein "Skandal".

Der Rechtsstaat funktioniert

Zu diesem Punkt hätte der Präsident besser geschwiegen. Denn die Justiz darf nicht präjudiziert werden. Ebenso, wie die Unschuldsvermutung für einen Angeklagten bis zur Verurteilung gilt, muss auch die Unabhängigkeit der Justiz grundsätzlich geachtet werden. Und auch von Spekulationen und Verschwörungstheorien über den angeblich bewusst gewählten Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Anklage sollte man sich nicht leiten lassen. Damit ist niemand geholfen. In den 20 Jahren seit dem Krieg ist in Kosovo bei der Konsolidierung des Rechtsstaates viel erreicht worden. Dass jetzt sogar eine Anklage gegen den Präsidenten erhoben werden kann, zeigt letztlich, dass das System funktioniert.

Es ist Ironie des Schicksals, dass sich gerade Hashim Thaçi, damals Premierminister, 2015 stark für das Sondergericht eingesetzt und seinen Aufbau vorangetrieben hat. Die juristische Grundlage des Sondergerichts für die Aufklärung der von Albanern begangenen Kriegsverbrechen in den Jahren 1998 und 1999 war eines der heißest diskutierten Gesetze im Kosovo.

Doch mit der Gründung dieses Gerichts hat Kosovo Stärke gezeigt und einen in der Region einzigartigen Schritt gewagt. Seine Verfahren sollten von den Menschen im Kosovo als Chance für einen Neuanfang gesehen werden. Diesen braucht Kosovo jetzt, um sich auf die Lösung der vielfältigen Probleme der Gegenwart konzentrieren zu können.

Kosovo verdient eine bessere Zukunft

Die Zukunft Kosovos darf auf keinen Fall nur von einzelnen Personen abhängen. Es ist unbestritten, dass viele der heute führenden Politiker im Kosovo wesentlich dazu beigetragen haben, Kosovo auf dem Weg in die Unabhängigkeit voranzubringen. Aber an erster Stelle ist dies ein Verdienst aller Menschen im Kosovo. Und sie verdienen eine bessere Zukunft im eigenen Land.

Deswegen ist es unwichtig, von wem und an welchem Ort der Dialog mit Serbien geführt wird. Entscheidend ist, dass hoffentlich bald ein möglichst faires Abkommen zwischen Kosovo und Serbien unterzeichnet wird.

Wichtig ist, dass Kosovo durch die Prozesse in Den Haag am Ende stärker, stabiler und glaubwürdiger wird. Diese Prozesse sind alternativlos für die Demokratisierung des Landes.