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Kommentar: EU bleibt im Kongo weiterhin gefordert

Ute Schaeffer31. Juli 2006

Die ersten freien Wahlen im Kongo waren nur ein erster Schritt zu mehr Demokratie. Das europäische Engagement im Kongo muss auch über die Wahl hinaus anhalten, meint Ute Schaeffer.

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"Die Wähler dürfen nicht zu Wahlverlierern gemacht werden"Bild: picture-alliance/dpa

Nur wenn alle Kongolesen sich als Sieger der Wahl fühlten, wäre ein Erfolg der Wahl gesichert. Dann wäre der Kongo auf dem Weg zu mehr Demokratie, ein Ende des Krieges wirklich gewährleistet. Recht hat der Leiter der Wahlkommission im Kongo, der das schon vor dem Urnengang immer wieder betont hat. Aber hier liegt auch die Schwierigkeit: Denn schon vor der Wahl gab es erklärte Verlierer. So boykottierte die größte Oppositionspartei die Wahl. Sie dürfte das Wahlergebnis anfechten - schlimmstenfalls mit Gewalt -, sich öffentlich als Verlierer zelebrieren und von Wahlbetrug reden.

Politik bleibt lukratives Geschäft

Noch schlimmer wäre es aber, wenn sich die Wähler in der Verlierer-Position fühlten. Denn da befinden sich 90 Prozent der Kongolesen ohnehin schon jetzt: Sie leben in absoluter Armut, ohne Schulen für ihre Kinder, ohne Krankenhäuser und medizinische Versorgung. Alle ihre Hoffnungen ruhten und ruhen auf der Wahl und ihrem Ergebnis. Sie wollen vor allem, dass endlich Frieden einkehrt im kriegsgeschüttelten Staat. Und dass sie endlich etwas merken vom Reichtum ihres Landes, von den vielen Ressourcen, deren Einkünfte bisher stets in den Taschen einer korrupten Elite gelandet sind.

Auf kurzfristige Effekte kann und sollte man bei alledem nicht setzen. Der Ansturm der Kandidaten - 10.000 Kandidaten für 500 Abgeordnetensitze, 32 Kandidaten für das Amt des Präsidenten - zeigt vielmehr, dass Politik im Kongo ein lukratives Geschäft bleiben wird. Demokratie und Rechtsstaat wachsen nicht von heute auf morgen. Wie viele der Kandidaten, die sich selbst gegenüber den Schutzmächten aus dem reichen Norden als Muster-Demokraten darstellen, haben aber eine genaue Vorstellung von Demokratie? Wer von ihnen weiß, was Demokratie verlangt? Wohl kaum jemand, denn seit der Unabhängigkeit 1960 wurde im Kongo nie frei gewählt. Mehr als 45 Jahre lang herrschten hier nur Anarchie, das Recht des Stärkeren, politische Diktatur und Willkür.

Schlüssel zur Stabilität Afrikas

Schlechte Aussichten also für einen schnellen Wandel. Zumal sich der Erfolg der Wahl nicht nur in der Hauptstadt Kinshasa, sondern vor allem auch in den Regionen im Osten des Landes entscheidet. Die Kriege der Vergangenheit gingen jedes Mal vom Osten aus. Auch die Nachbarn Ruanda, Uganda und Angola haben möglicherweise kein Interesse an rechtsstaatlichen Verhältnissen beim reichen Ressourcenstaat Kongo. Denn sie schöpfen dessen Rohstoffe ab und profitieren dabei von Vetternwirtschaft, Rechtsfreiheit und straflosen Räumen.

Dennoch: Zur Wahl gab es keine Alternative. Dass es am Wahltag einigermaßen friedlich blieb - abgesehen von der zentral gelegenen Großstadt Mbuji-Mayi, Hochburg der Oppositionspartei UDPS von Etienne Tshisekedi -, ist zumindest ein gutes Zeichen. Und es ist richtig, dass sich Europa im Kongo mit viel Geld und Soldaten engagiert. Denn der 30-Millionen-Einwohner-Staat ist einer der Schlüssel zur Stabilität Afrikas. Die Kriege im Kongo von 1996 bis 1997 und von 1998 bis 2003 waren keine nationalen, sondern afrikanische Kriege, an denen der halbe Kontinent beteiligt war. Sie kosteten unvorstellbare vier Millionen Todesopfer und verwüsteten ein Land, das sechs Mal so groß ist wie Deutschland und eigentlich von seinen Ressourcen gut leben könnte.

EU bleibt gefordert

Dass die EU die Hälfte der Kosten für die Wahl trug - 180 Millionen Euro, war eine großzügige Geste und wichtige Unterstützung. Die Präsenz von UN und EU in diesen Wochen wird verhindern, dass "Warlords" und einzelne Politiker sich nun vorschnell und eigenmächtig zum Sieger erklären und die Wähler damit zu Verlierern machen. Doch diese entschiedene europäische Linie muss auch nach der Wahl weiter verfolgt werden. In den kommenden Monaten wird der Kongo durch den schwierigen und langwierigen Prozess des Institutionenaufbaus gehen. Dieser Prozess muss dem Parlament endlich Mitsprache und eine Stimme geben.

Dann aber wäre der Weg frei, um dem Riesenstaat in Sachen Infrastruktur, Bildung und medizinischer Versorgung besser Hilfe leisten zu können. Und dann wären viele der Menschen im Kongo tatsächlich nicht Verlierer, sondern Sieger der Wahl. Die Wahl im Kongo ist die erste Etappe in einem schwierigen Prozess, bei dem Europa weiter gefordert bleiben wird.