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Politik

Nur gemeinsam sind wir stark

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Barbara Wesel
23. März 2018

Solidarität ist das Gebot der Stunde in der EU - denn Russland und die USA sind für die Europäer derzeit gleichermaßen bedrohlich. Vom Zwang zur Einigkeit hat auch Theresa May profitiert, meint Barbara Wesel.

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Belgien EU-Gipfel - Juncker und May
Die britische Premierministerin Theresa May und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude JunckerBild: Reuters/F. Lenoir

Die Debatte der Regierungschefs über den russischen Nervengasangriff dauerte länger und war hitziger als zunächst erwartet. Am Ende setzte sich eine schärfere Formulierung durch, mit der die Verantwortung eindeutig Russland zugewiesen wird. Die britische Premierministerin hatte ihre Kollegen mit Geheimdienst-Wissen über den verwendeten Kampfstoff überzeugen können. Die Aggression Russlands richte sich gegen ganz Europa, hatte Theresa May formuliert.

Die Bundeskanzlerin hat sich ausdrücklich auf ihre Seite gestellt und selbst dafür gesorgt, dass auch Länder wie Griechenland oder Italien ihre Bedenken gegen eine offene Konfrontation mit Moskau zurückstellten. Und eine Reihe von EU-Mitgliedern will die Mordattacke auf europäischem Boden darüber hinaus noch mit dem Rauswurf von russischem Botschaftspersonal beantworten. Das ist die schärfste mögliche Maßnahme auf diplomatischer Ebene.

Nächste Ausfahrt Brexit

Die britische Premierministerin feiert den europäischen Schulterschluss als persönlichen Sieg. Aber da schmückt sie sich mit falschem Lorbeer: May kam ein Jahr vor ihrem EU-Austritt ohne eigenes Zutun noch einmal in den Genuss der europäischen Solidarität. Ihre Kollegen haben ihr so selbstverständlich gegenüber Putin den Rücken gestärkt, dass sie den Halt dieser Gemeinsamkeit noch bitter vermissen dürfte. Denn trotz aller Beschwörungen von Theresa May, dass es nach dem Brexit eine großartige Sicherheits-Partnerschaft geben soll: Ist Großbritannien erst einmal ein Drittland und kein Teilnehmer bei EU-Gipfeltreffen mehr, wird London dramatisch an Einfluss verlieren.

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DW-Korrespondentin Barbara Wesel

Nebenbei zeichneten die EU-Regierungschefs in Brüssel auch die vereinbarten nächsten Schritte bei den Brexit-Verhandlungen ab. Sie sind sich politisch einig, wie die Übergangsperiode für die Briten aussieht und dass die Basis für das künftige Verhältnis ein Freihandelsabkommen werden soll. Das ist so ziemlich der kleinste gemeinsame Nenner der internationalen Beziehungen. Mehr ließen die roten Linien der Briten eben derzeit nicht zu, heißt es fast bedauernd - aber sie könnten ihre Meinung ja noch ändern. 

Bei den Brexit-Verhandlungen hat sich inzwischen das Muster eingebürgert, dass die britische Seite zunächst große Forderungen stellt, dann aber umstandslos einknickt, wenn die EU geschlossen bei ihrem Kurs bleibt. Die Erkenntnis, dass bei diesem Verfahren am Ende kein Sieg des Königsreichs herauskommt, scheint sich inzwischen auch auf der Insel herumzusprechen.

Trumps Handelskrieg ist nicht abgewendet

Auch gegenüber den Drohungen des US-Präsidenten bewährt sich vorerst die europäische Solidarität. Die EU hat umgehend mit Gegenmaßnahmen gedroht, dann Unterhändler nach Washington entsandt und jetzt zunächst etwas Zeit gewonnen. Allerdings sind gut vier Wochen viel zu wenig Zeit, um über gegenseitige Probleme im Warenverkehr zu sprechen und sie zu lösen. Darüber hinaus wollen die Europäer auch nur ungern mit der Pistole am Kopf verhandeln.

Die EU bekennt sich weiter zu einem freien, aber geregelten Welthandel und versucht dabei, die eigenen Interessen schützen. Bei Handelskriegen können alle Beteiligten nur verlieren, heißt die Warnung der Europäer an den US-Präsidenten. Aber der hört, so weit man weiß, nicht zu, sondern folgt seinen eigenen Impulsen. Er stellt damit derzeit die größte Bedrohung für Wachstum, Wohlstand und sozialen Frieden in Europa dar. Wo diese Reise hin geht, ist noch völlig offen. Der Abzug von Beratern mit Wirtschaftserfahrung aus dem Weißen Haus lässt wenig Gutes ahnen. Ein Handelskrieg mit den USA ist, in der einen oder anderen Form, noch nicht angewendet - er ist nur aufgeschoben.

Bolton-Benennung bedroht Iran-Abkommen

Auch auf dem Feld der Außenpolitik ziehen in den USA weitere schwarze Wolken auf. Mit der Berufung des ausgemachten Falken John Bolton zum Sicherheitsberater erhöht sich das Gefährdungspotential für die angesetzten Gespräche mit Nordkorea. Und das Atomabkommen mit dem Iran wird unter diesen Umständen von vielen bereits abgeschrieben. Die Europäer überlegen schon, was sie noch retten können, wenn die USA aus dem Vertrag aussteigen. Hier droht die nächste große internationale Krise, während der Krieg in Syrien weiter tobt und ihn der Autokrat Erdogan durch seinen Kampf gegen die Kurden noch verschärft.

Die internationale Lage ist dermaßen beunruhigend, dass sie die Europäer zusammenschweißt. Erste Reformschritte für die Eurozone sind auf den Sommer vertagt, derzeit ist die EU damit beschäftigt, ihr Überleben in extrem stürmischem Wetter zu sichern. Die Regierungschefs haben verstanden, dass sie nur gemeinsam stark genug sind, um den Angriffen von alten Feinden und früheren Freunden standzuhalten.

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