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Kommentar: Europäische Sackgasse

Bernd Riegert7. Juli 2014

Eine Maut für Ausländer ist der falsche Weg, um deutsche Straßen zu sanieren. Die Vorschläge von Verkehrsminister Dobrindt widersprechen im Kern dem europäischen Einigungsgedanken, meint Bernd Riegert.

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Auf einem Schild steht "Maut", daneben fährt ein Auto auf einer deutschen Straße (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/Bernd Wüstneck

Ein Vorteil der Europäischen Union ist es, dass Personen frei reisen und Kapital, Güter sowie Dienstleistungen in den 28 Mitgliedsstaaten zollfrei ausgetauscht werden können. Leider gibt es bei diesem Grundprinzip der EU immer noch Ausnahmen. Die Maut für Fernstraßen, Brücken, Innenstädte und Tunnel, die in 18 EU-Mitgliedsstaaten in höchst unterschiedlichen Verfahren und zu sehr unterschiedlichen Preisen eingetrieben wird, zählt zu diesen Ausnahmen. Dieser Wegezoll ist im Prinzip zutiefst uneuropäisch und gehört im Grunde abgeschafft. Oder man erhebt die Maut europaweit einheitlich in allen Mitgliedsstaaten. Das wäre wesentlich gerechter.

Der deutsche Verkehrsminister Alexander Dobrindt will der europäischen Wegelagerei jetzt die Krone aufsetzen und pauschal für Ausländer eine Art Eintrittsgeld für Deutschland verlangen. Nichts anderes ist das vorgeschlagene System. Jegliche Straßenbenutzung soll mit Vignetten erkauft werden. Deutschen Autofahrern wird die Vignette aber mit der Kraftfahrzeugsteuer verrechnet. Im Ergebnis werden also nur Ausländer belastet. Das Geschäft ist europarechtlich höchst fragwürdig und wird angekündigten Klagen der Nachbarländer Niederlande und Österreich kaum standhalten.

Dobrindt wird scheitern

Auch für den kleinen Grenzverkehr auf Land- und Gemeindestraßen zwischen den Nachbarländern und Deutschland soll demnächst eine Gebühr fällig werden. Das wird Kontakte nicht gerade fördern und ist in einem Schengenraum ohne Passkontrollen geradezu grotesk. Das ist ein Schritt zurück in die Vergangenheit.

Porträt von Bernd Riegert, DW-Korrespondent in Brüssel (Foto: DW/P.Henriksen)
Bernd Riegert ist DW-Korrespondent in Brüssel

Der aus Bayern stammende Verkehrsminister muss ein Wahlversprechen aus dem bayrischen Wahlkampf erfüllen und auf Biegen und Brechen eine Maut erheben. Eine populistische Maßnahme - denn die Einnahmen, die Dobrindt für den Unterhalt der Straßen braucht, könnte er ebenso gut durch eine Erhöhung der Mineralölsteuer erreichen. Die Abgabe aufs Benzin muss ja von allen Autofahrern in Deutschland gezahlt werden, egal ob sie Inländer oder Ausländer sind. Nichts anderes als eine Steuer soll die als "Infrastrukturabgabe" verkleidete Straßengebühr sein. Da könnte der Minister also auch ehrlich sein und sagen: Wir brauchen Geld, deshalb werden die Steuern erhöht.

Die einzigen EU-Staaten, die ebenfalls für das gesamte Straßennetz einen Wegezoll verlangen, sind bislang die Slowakei und Tschechien. Allerdings müssen auch Tschechen und Slowaken zahlen, ohne dass ihnen an anderer Stelle eine Steuerermäßigung gewährt wird. Der deutsche Verkehrsminister betritt also europäisches Neuland - und er wird scheitern. "Mit mir wird es keine Maut geben", hatte Bundeskanzlerin Merkel im vergangenen Jahr noch im Wahlkampf gesagt. Sie ist unter dem Druck der bayrischen Schwesterpartei eingeknickt. Ein Menge europäischer Ärger ist der Berliner Koalition in den nächsten Jahren gewiss.