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Politik

Frankreich bleibt mit Mühe europäisch

Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert
23. April 2017

Die Rechtspopulistin Marine Le Pen schafft es in Frankreich in den zweiten Wahlgang bei der Präsidentenwahl. Das ist eine Schlappe für die Demokratie, aber noch keine Katastrophe, meint Bernd Riegert.

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Frankreich Wahl Emmanuel Macron Rede in Paris
Bild: Reuters/P. Wojazer

Es hätte noch schlimmer kommen können, aber gut ist das Ergebnis der ersten Runde der Präsidentenwahl in Frankreich auch nicht. Die rechtspopulistische Marine Le Pen ist die Zweitplatzierte und damit in der Stichwahl. Sie fährt dadurch ihren bisher größten politischen Erfolg ein. Die hemmungslose Nationalistin ist auf dem Vormarsch.

Seit sie die Führung der Partei von ihrem antisemitischen Vater übernommen hat, führt sie die "Nationale Front" zu immer größeren Erfolgen, bei Regionalwahlen, bei der Europawahl und jetzt bei der Präsidentenwahl. Was ist nur mit dem bevölkerungsmäßig zweitgrößten Land in der Europäischen Union los, dass eine maliziös strategisch begabte Politikerin mit den Ansichten von vorgestern solche Triumphe feiern kann?

Sensation und bitterer Sieg

Sie hat nicht den größten Stimmenanteil holen können, aber es war knapp. Das ist eine Sensation, ein bitterer Sieg über alle echten Demokraten. Die letzte Hoffnung ist jetzt der liberale, eher sozialdemokratisch ausgerichtete Emmanuel Macron, der mit leichtem Vorsprung gegenüber Le Pen im ersten Wahlgang die meisten Stimmen holen konnte. Für ihn votiert die Vernunft, nicht das Gefühl. Im zweiten Wahlgang in 14 Tagen kommt es nun darauf an, dass die Vernünftigen für Macron stimmen, auch wenn sie nicht alle mit seiner politischen Richtung übereinstimmen. Sozialisten und Konservative müssen und werden sich hinter dem erst 39 Jahre alten, relativ unerfahrenen Sprössling des politischen Establishments versammeln.

Riegert Bernd (DW)
DW-Europa-Korrespondent Bernd Riegert

Denn jetzt geht es darum, Marine Le Pen und ihre nationalen Allmachtsfantasien so klein wie möglich zu halten. Einige Wahlforscher haben über einen Trump-Effekt im zweiten Wahlgang nachgesonnen, also ein unerwartetes Auftrumpfen der Populisten. Doch das ist in Frankreich so gut wie ausgeschlossen. Das liegt auch am französischen Wahlsystem, das mit seiner Stichwahl den Wählern sozusagen eine zweite Chance zur rationalen Entscheidung lässt, wenn sie im ersten Wahlgang ihren Protest und ihren Frust herauslassen wollen.

Letzte Warnung

Auch wenn am Ende aller Wahrscheinlichkeit Emmanuel Macron in den Élysée-Palast einziehen wird, ist diese Wahl doch auch so etwas wie eine letzte Warnung. Seine Vorgänger, der konservative Nicolas Sarkozy und der völlig glücklose Sozialist François Hollande, haben es nicht geschafft, Frankreich zu erneuern, wirtschaftliche und gesellschaftliche Reformen durchzusetzen. Die Franzosen haben ja nicht nur in großer Zahl rechtsradikal, sondern auch linksradikal, also das andere Extrem, den Altkommunisten Jean-Luc Melenchon, gewählt.

Fast jeder zweite Wähler lehnt damit das bisherige System ab. Keine etablierte Partei hat es in die Stichwahl geschafft. Da muss Macron ansetzen. Er muss die zutiefst verunsicherten Franzosen, die sich wirtschaftlich abgehängt, von der Elite ausgegrenzt und von Fremden und Einwanderern bedroht fühlen, wieder mehr in die Mitte der Gesellschaft holen. Das wird eine sehr schwer zu lösende Aufgabe.

Forderungen an die EU

Die Nachbarn Frankreichs und die Europäische Union, die an diesem Sonntag den Atem angehalten hatten, können sich erst einmal entspannen. Frankreich wird im Euro bleiben und auch die Europäische Union und die NATO nicht verlassen. Das alles hätte bei einem Sieg von Le Pen oder Melenchon gedroht.

Die Europäer können aber auch nicht so weitermachen wie bisher. Frankreich als solider Sockel der EU an der Seite Deutschlands ist keineswegs so selbstverständlich, wie das viele gedacht haben. Emmanuel Macron wird Forderungen an die Europäische Union haben. Er will fiskalische Erleichterungen. Deutschland soll seinen Handelsüberschuss mit Frankreich senken. Das wird keine einfache gemeinsame Reise für die Bundeskanzlerin, aber Macron muss jetzt geholfen werden. Europa muss den Franzosen beweisen, dass sich eine vernünftige Wahl gegen Populismus und Isolationismus lohnt.

Übrigens, die Meinungsumfragen haben diesmal richtig gelegen. Also ist auch für die Demoskopen noch nicht alle Hoffnung verloren, trotz der falschen Prognosen bei Brexit, Trump und Niederlandewahl.

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Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union