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Wahlen ohne Funktion

13. März 2007

Die Ergebnisse der Regionalwahlen in Russland sind nicht überraschend. Doch es sind nicht Wahlen, sondern die wirtschaftliche Entwicklung die Russlands politische Zukunft bestimmen, meint Ingo Mannteufel.

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Ingo Mannteufel

Die Regionalwahlen in Russland sind erwartungsgemäß verlaufen: Die Generalprobe für die Staatsduma-Wahlen im Dezember ist aus Sicht des Kremls geglückt. Das aufwändige Modellieren von Parteien- und Medienlandschaft sowie ein ausgefeiltes Tuning der Wahlgesetzgebung brachten das gewünschte Resultat. Interessanter ist daher die Frage, was die Wahlen über den Zustand der russischen Politik aussagen.

Politische Apathie

Die durchschnittliche Wahlbeteiligung von fast 40 Prozent spricht erst einmal von einem mittelmäßigen Interesse der russischen Bürger für das politische Geschehen. Politik und das politische Geschäft werden in Russland negativ gesehen. Die meisten russischen Bürger halten sich davon fern. Die Unterstützung für die "Parteien der Macht" zeigt zudem, dass Putin nach den katastrophalen Jelzin-Jahren für die meisten Russen das gebracht, was sie wollten: politische Stabilität und Wirtschaftswachstum mit stetigen Reallohnsteigerungen.

Vielen Russen geht es gegenwärtig darum, ihren Lebensstandard zu verbessern. Das russische Wirtschaftswachstum - gespeist aus den hohen Gewinnen aus dem Energieexport - bietet auch vielen die Chance, endlich die materiellen Wünsche zu befriedigen, die sie sich seit anderthalb Jahrzehnten erhoffen. Es wäre historisch und moralisch zudem ungerecht, Russen für ihre große Konsumfreude zu verurteilen. Genauso wie es falsch wäre, ihnen die politische Apathie vorzuwerfen. Im 20. Jahrhundert haben zu viele Russen ihr Leben für eine politische Ideologie und ein kommunistisches Paradies geopfert.

Das eigene Schicksal und die Zukunft der Familie sind für viele Russen daher zu Recht wichtiger als die komplizierten russischen politischen Verhältnisse. Was kümmern da der Ausschluss bestimmter Parteien aufgrund fadenscheiniger Begründungen oder die Erhöhung der Wahlhürde von fünf auf sieben Prozent, werden sich manche denken. Der wirtschaftliche Aufschwung der letzten Jahre überdeckt den Graben zwischen den Bürgern und der politischen Klasse in Russland.

Wahlen ohne Bezug

Doch diese Entpolitisierung der russischen Gesellschaft sollte niemanden kalt lassen - am wenigsten die regierende Elite im Kreml. In einem demokratischen politischen System sollen Wahlen das notwendige Feedback von Regierten zu den Regierenden gewährleisten: Alle vier Jahre dürfen die Regierten einmal ihre Rolle als Souverän ausüben und ihren politischen Willen ausdrücken. Wenn jedoch Wahlen gelenkt werden, dann fehlt diese Rückkoppelung der Regierten an die Regierenden. Das geht dann nur solange gut, solange eine amorphe Mehrheit der Bevölkerung mit der Herrschaft zufrieden ist. Das ist in Russland gegenwärtig der Fall, wie Meinungsumfragen immer wieder ermitteln.

Das "System Putin" steht und fällt daher mit der politischen Stabilität und der russischen Wirtschaftsentwicklung - nicht mit siegreichen Wahlen für die "Parteien der Macht". Wahlen und Wahlergebnisse sind nur interessant für die konkurrierenden Elitengruppen.

Ingo Mannteufel, Leiter der russischen Online-Redaktion der Deutschen Welle