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Obama, USA, Irak, US-Aussenpolitik, Regierungsbilanz, Präsidentschaft

Gero Schließ4. Juli 2014

Der amerikanische Präsident ist zu Hause so unbeliebt wie nur wenige seiner Vorgänger. Dabei hat er vor allem innenpolitisch einige Erfolge aufzuweisen, meint Gero Schließ.

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Obama Pressekonferenz US Politik Irak 19.06.2014
Bild: Reuters

Eigentlich müßte Barack Obama einer der beliebtesten Präsidenten in der Geschichte der USA sein: Arbeitsmarktzahlen und Aktienkurse zeigen nach oben, US-Soldaten kehren aus verlustreichen Kriegen endlich nach Hause zurück, die jüngste Klimainitiatve findet auch international Anerkennung und die lange umstrittene Gesundheitsreform "Obamacare" wird von den Menschen angenommen.

Das sind normalerweise die Zutaten, mit denen man glanzvolle Auftritte kreieren und höchste Zustimmungswerte erreichen kann.

Präsident als Witzfigur

Doch die Wirklichkeit sieht für Präsident Obama nach mehr als 2000 Tagen seiner Präsidentschaft anders aus. Seine Umfragewerte sind im Keller, weisen ihn in einem Fall sogar als den schlechtesten Präsidenten seit dem Zweiten Weltkrieg aus und lassen wenig Anerkennung für seine Arbeit erkennen.

In der Bevölkerung verfestigt sich der Eindruck, dass es dieser Präsident einfach nicht kann. Und es ist ungeachtet der sozialen Herkunft oder der politischen Überzeugung schick geworden, über ihn Witze zu machen.

Das aber vergiftet nicht nur die politische Auseinandersetzung, sondern geht auch an der Wirklichkeit vorbei. Denn Obama ist besser als sein Ruf. Viele seiner Initiativen sind richtig und wollen einen längst überfälligen Politikwechsel einleiten. Das reicht von der Gesundheitsreform über die Klimapolitik bis zu tiefgreifenden gesellschaftlichen Veränderungen, die sich beispielsweise mit dem von Obama unterstützen Siegeszug der gleichgeschlechtlichen Ehe verbindet.

Deutsche Welle Gero Schließ
Gero Schließ, Deutsche Welle Studio Washington, USABild: DW/P.Henriksen

Peinliche Pannen

Doch handwerkliche Fehler und zahlreiche Pannen hinterlassen den Eindruck, dass es mit seiner Regierungskunst nicht weit her ist. Die peinlichen Pannen bei der Implementierung von "Obamacare" sind nur ein Beispiel, die mangelhafte medizinische Versorgung von Tausenden von Kriegsveteranen ein anderes. In beiden Fällen mußten die zuständigen Minister zurücktreten, doch am Ende bleibt auch etwas am Präsidenten selber hängen.

Die Republikaner und die mit ihnen sympathisierenden Massenmedien hämmern dies den Menschen immer wieder ein. Und sie sorgen mit ihrer Fundamentalopposition dafür, dass dem Präsidenten gut zwei Jahre vor Ende der Amtszeit nichts mehr gelingen mag.

Dabei trägt Obama selbst ein gerüttelt Maß bei zu der selbstzerstörerischen Konfrontation in Kongress und öffentlicher Meinung. Zu oft hat er seine Gegenspieler die Arroganz der Macht spüren lassen, zu wenig liegt ihm daran, mit den politischen Gegnern wirklich zu einem "Deal" zu kommen. Das rückständige Einwanderungsgesetz wird wohl deshalb kaum noch in seiner Amtszeit reformiert werden. Der jüngste Ansturm von Minderjährigen aus Zentralamerika über die US-mexikanische Grenze offenbart wieder einmal die bitteren Konsequenzen dieses Versäumnisses. Auch das freizügige Waffengesetz, das Wegbrechen des Mittelstandes oder das unfaire Bildungssystem werden wohl offene Baustellen bleiben. Daran ändern auch die jüngst vorangetriebenen präsidialen Verordnungen nicht viel, mit denen Obama am Kongress vorbei regieren aber im Grunde nur wenig bewegen kann.

Aussenpolitik ohne Konzept

Mit Blick auf die wichtigen Midtermwahlen im November verschärfen die Republikaner ihre Opposition noch einmal und wollen nun "König" Obama wegen seiner aus ihrer Sicht zu häufigen Ausschöpfung exekutiver Kompetenzen verklagen.

Das mag lächerlich und überzogen wirken. Doch es hilft nichts: Auch wenn an der Totalblockade von Washington beide Parteien Schuld tragen, kreidet man sie vor allem dem Präsidenten an.

Dass sich aus innenpoltischer Schwäche kaum aussenpolitische Stärke gewinnen läßt, überrascht da nicht. Im Gegenteil: Nicht nur Gegner attestieren dem Präsidenten einen fehlenden aussenpolitischen Kompass. Auch Wohlwollende und Verbündete stimmen da weitgehend überein. Das Lavieren um einen Militärschlag in Syrien und das halbherzige Agieren gegenüber Putins Russland haben Obama in der Weltöffentlichkeit und zu Hause nicht gut aussehen lassen. Mit dem Rückholen amerikanischer Truppen aus dem Irak und Afghanistan entspricht er einer tiefen Sehnsucht seiner kriegsmüden Landsleute. Die gegenwärtige brandgefährliche Situation im Irak unter dem Siegeszug von ISIS zeigt aber, dass die Amerikaner noch kein Konzept für das "danach" gefunden haben.

Eingeholt von der Realität im Irak

In seiner Rede vor Kadetten der Militärakademie West Point Ende Mai hatte Präsident Obama Glauben gemacht, dass man dem internationalen Terror künftig durch eine Netzwerk von Verbündeten und die militärische Ertüchtigung von regionalen Stellvertretern die Stirn bieten könne. Schneller als gedacht hat ihn die irakische Realität wieder eingeholt. Die Bilder von aufgelösten Armee-Einheiten und täglichem Terror müßten eigentlich Obamas Vorgänger George W. Bush und seinen Republikanern die Schamesröte ins Gesicht treiben. Aber Politik funktioniert anders, und so ist es wieder Obama, der in der Kritik steht.

Für Deutschland und die europäischen Verbündeten ist all das ein Grund zur Sorge. Sie erleben nicht nur einen glücklosen amerikanischen Präsidenten, sondern auch die Supermacht USA auf dem Rückzug. Obamas "Yes we can"-Zuversicht gehört längst der Vergangenheit an. Was die Zukunft betrifft, werden Deutschland und die Europäer wohl noch stärker auf ihre eigenen Kräfte und Konzepte setzen müssen.