1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Gnadenfrist für Theresa May

Barbara Wesel Kommentarbild App *PROVISORISCH*
Barbara Wesel
22. März 2019

Die EU hat Theresa May noch einmal Zeit gegeben. Wird der Austrittsvertrag nächste Woche verabschiedet, bekommt sie zwei Monate, sonst nur zwei Wochen. Die EU bereitet sich auf den harten Brexit vor, meint Barbara Wesel.

https://p.dw.com/p/3FSzo
EU-Gipfel Brexit in Brüssel | Theresa May
Bild: AFP/E. Dunand

Theresa May kann es nicht und sie wird es auch nicht mehr lernen. Einmal mehr kam die britische Premierministerin mit leeren Händen zum Gipfel nach Brüssel und hatte für ihre europäischen Kollegen keine Antworten bereit. Was wolle sie tun, wenn das Parlament in der nächsten Woche den Austrittsvertrag erneut ablehnt? Keine Antwort. Habe sie alternative Pläne für diesen Fall? Keine Antwort. Und so weiter. Das Ergebnis war eine weitere wohl verdiente Demütigung für die Premierministerin.

Die EU übernimmt die Kontrolle

Der Slogan der Brexiteers von der Kontrolle, die sie unbedingt von Brüssel zurück holen wollten, war immer besonders hohl. Nach diesem Gipfel aber sollten sie ihr Geld zurück verlangen. Nach über vier Monaten Chaos-Festspielen in London haben die EU-Regierungschefs jetzt kurzerhand die Kontrolle über den Brexit-Fahrplan übernommen.

DW-Korrespondentin Barbara Wesel (Foto: DW)
DW-Korrespondentin Barbara Wesel

Denn die Geduld mit Mays anhaltender Unbeweglichkeit ist am Ende, und die Frustration über die Achterbahnfahrt der britischen Politik ist groß. Die Europäer wollen die Sache lieber früher als später hinter sich bringen. Sie haben der Premierministerin also gerade einmal zwei Wochen eingeräumt, wenn sie den Brexit-Deal nicht verabschieden lassen kann.

In Brexit-Zeit zählt das eher Minuten, wenn man bedenkt wie viele Monate die Premierministerin schon damit verschwendet hat, mit dem Kopf an die Wand zu rennen. Und für sie war nach dem Gipfel genau wie vor dem Gipfel: Die immer gleichen Phrasen, die automatische Maybot-Beschallung - kein Gedanke, keine Gemütsregung, keine Hoffnung.

Sollte May es nun wider Erwarten doch schaffen, das Parlament zu überzeugen,  haben die Briten Zeit bis zur Europawahl im Mai, um ihre Gesetze anzupassen und auszusortieren. Der 11. April aber ist die nächste Klippe, über die Großbritannien stürzen wird, wenn nicht endlich vernunftbegabte Menschen in London das Steuer übernehmen und die rasende Fahrt anhalten. Die EU hat verstanden, dass es wahrscheinlich so kommen wird - und hält sich für gut genug vorbereitet.

Es bleiben noch ein paar Optionen

Die Regierung in London, die Abgeordneten oder wer immer sich verantwortlich fühlen mag: Sie alle haben noch eine kleine Chance, den drohenden Absturz aufzuhalten. Sie könnten immer noch den Austrittsantrag nach Artikel 50 zurücknehmen. Sie könnten noch ihre Teilnahme an der Europawahl im Mai ankündigen und um eine längere Frist für den Brexit bitten. Beides hat Theresa May erneut abgelehnt. Sie müsste endlich aus dem Amt gekegelt werden, damit Kompromisse und Lösungen möglich werden.

Es ist bekannt, dass es keinen überzeugenden Kandidaten bei den Tories gibt. Es bewerben sich vor allem Brexiteers, die die Dinge noch schlimmer machen würden. Und bei der Labour-Opposition und ihren Alttrotzkisten sieht es ähnlich entmutigend aus. Aber könnte sich nicht ein Übergangspremier finden, eine Frau oder eine Mann aus der Mitte, der nur das nicht enden-wollende Brexit-Drama beenden müsste?

May hat den harten Brexit akzeptiert

Der Brexit ist mit dem Beschluss vom Brüsseler Gipfel nur ein wenig aufgeschoben, es ist nicht mehr als eine Gnadenfrist. Für den Rest müsste London sorgen. Aber wenn es da nicht zu einem Erweckungserlebnis und Umsturz kommt, dann führt kein Weg aus der selbst gestellten Falle. Die rasant wachsende Bürger-Petition, den Artikel 50 zurückzuziehen, könnte einen Ausweg bieten. Aber Theresa May hat schon klar gemacht, dass diese Unterschriften sie nicht interessieren.

Am Wochenende wird es in London auch noch einmal eine große Demonstration gegen den Brexit  geben. Aber dafür ist May genauso unempfänglich. Sie scheint sich inzwischen mit einem harten Brexit abgefunden zu haben. Es wäre das übelste Erbe einer Regierungschefin, die den Namen nicht verdient, weil sie nur eine blinde Parteisoldatin der Tories ist.

Wer Verantwortung für ein Land trägt, darf nicht einen Fehler auf den anderen häufen, so als ob Minus mal Minus am Ende in der Politik Plus ergibt. Theresa May konkurriert derzeit mit David Cameron um den Titel des schlechtesten Premiers aller Zeiten. Lässt sie Großbritannien in einen harten Brexit stürzen aufgrund ihrer Schwäche, Unfähigkeit und Sturheit, wird sie den Wettstreit gewinnen. Der Preis ist eine Medaille aus Blei und ein schwarzer Fleck in den Geschichtsbüchern.