1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Historischer Moment mit Fragezeichen

Jamsheed Faroughi3. April 2015

Die Einigung im Atomstreit mit dem Iran ist eine gute Nachricht, für die Region und die Weltgemeinschaft. Doch ob sie wirklich zu einer Lösung des Atomkonflikts führt, ist noch offen, meint Jamsheed Faroughi.

https://p.dw.com/p/1F2Et
Federica Mogherini (2. v.l.), Irans Außenminister Mohammed Dschawad Sarif (2.v.r.) und US-Außenminister John Kerry (r.) bei der Abschluss-PK zu den Atomverhandlungen in Lausanne
Bild: Getty Images/AFP/F. Coffrini

"Deal or no Deal", das war zwölf Jahre die Frage! Die Welt hat nach Lausanne geschaut, wo Hoffen und Bangen nah beieinander lagen und der Grat zwischen Erfolg und Scheitern hauchdünn war.

Endlich kam die gute Nachricht, für eine Region, in der gute Nachrichten eher Mangelware sind. Die grundsätzliche Einigung im Atomstreit ist zweifelsohne ein historischer Moment, nicht nur für den Iran, nicht nur für die Region, sondern auch für die Weltgemeinschaft. Aber man muss die Vereinbarung von Lausanne leider mit großer Vorsicht genießen. Denn der Teufel steckt im Detail.

Sieg der Vernunft

Es war nicht zum ersten Mal, dass aus Verhandlungen um das iranische Atomprogramm eine Mammutrunde wurde, aus den Atomgesprächen ein Atompoker. Auf dem Spieltisch lagen am Ende zwei Karten: "Win-Win-Lösung" oder "Lose-Lose-Katastrophe". Die Vernunft hat gesiegt.

Es war ein ernsthaftes Spiel um schicksalshafte Fragen und mit unvorhersehbaren Auswirkungen auf die Weltpolitik. Dass die wichtigsten Politiker der Welt sich so lange Zeit genommen haben, zeigt deutlich, welch große Bedeutung die Verhandlungen für die Veto-Mächte und Deutschland hatten, und nicht zuletzt auch für den Iran.

Deutsche Welle Persische Redaktion Jamsheed Faroughi
DW-Redakteur Jamsheed FaroughiBild: DW/P. Henriksen

Als der Atompoker in Lausanne begann, wussten US-Außenminister John Kerry und seiner iranischer Amtskollege Mohammed Dschawad Sarif sehr wohl, dass sie nicht mit leeren Händen zurückkehren können. Ihr Auftrag war klar: So lange verhandeln, bis eine Einigung erzielt ist. Und genau das haben sie getan. Nun ist eine grundsätzliche Vereinbarung erreicht. Aber war es den Einsatz dafür wert? Ist es das Ergebnis, das man sich im Iran und im Westen erhofft hatte? Die Antwort lautet klipp und klar: ja!

Vereinbarung für den Iran lebenswichtig

Für Irans Machthaber ist die Vereinbarung zum jetzigen Zeitpunkt lebenswichtig. Die heimische Wirtschaft leidet ernsthaft unter der Last der Sanktionen. Das Finanzleben ist spürbar ins Stocken geraten. Die zügellose Inflation hat die Kaufkraft der Bevölkerung aufgefressen. Die Arbeitslosigkeit und damit die Perspektivlosigkeit haben vor allem die junge Bevölkerung an die Grenzen der Verzweiflung gebracht. Und nicht zuletzt hat die Gefahr eines neuen Krieges mit einer Allianz arabischer Staaten unter der Führung Saudi-Arabiens dazu geführt, dass der Iran letztendlich zum "Ja-Sager" wurde.

Die Lage ist wahrlich sehr ernst. Nach den Luftangriffen auf Huthi-Rebellen im Jemen geht der Stellvertreterkrieg zwischen Saudi-Arabien und dem Iran in eine neue Phase. Der Machtkampf im Jemen hat das Potenzial, einen Flächenbrand im Nahen Osten zu entfachen. Dabei ist der Jemen nur ein Schlachtfeld in einem weit größeren Krieg in der gesamten Region.

Die richtige Arbeit beginnt erst

Das neuerliche Scheitern der Atomverhandlungen hätte die Position der Gegner einer Einigung im Atomkonflikt gestärkt. Dessen waren sich die Regierung des Iran und selbst die Ultra-Konservativen um den Obersten Führer Ayatollah Khamenei bewusst.

Die diplomatische Beilegung des Atomstreits mit dem Iran ist auch der größte außenpolitische Erfolg von US-Präsident Barack Obama. Aber die richtige Arbeit beginnt jetzt erst. Die Vereinbarung von Lausanne ist möglicherweise die Lösung für den Atomkonflikt mit dem Iran. Doch die Betonung liegt auf "möglicherweise". Denn die zahlreichen und mächtigen Gegner dieser Vereinbarung haben nun drei Monate Zeit, alles was erreicht worden ist, wieder zunichte zu machen.

Einigung noch nicht in trockenen Tüchern

Nach der Veröffentlichung der Erfolgsmeldung aus Lausanne wird sich der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu wohl als einer der Ersten zu Wort melden und die erzielten Vereinbarungen scharf kritisieren. Offenkundig steht Netanjahu mit seiner Gegnerschaft nicht allein. Dazu muss man nur an den großen Beifall erinnern, den er vor kurzem für seine feurige Rede vor dem US-Kongress erhalten hat. Nicht vergessen sollte man auch den Brief von 47 US-Senatoren an die iranische Regierung, in dem sie mit der Aufhebung einer Vereinbarung in der Post-Obama-Ära drohen.

Auch regionale Mächte wie Saudi-Arabien, die Türkei und Ägypten sind vehement gegen einen Atomvereinbarung mit dem Iran, ebenso die Hardliner im Land selbst. Denn die Beilegung des Atomkonflikts könnte zu einer politischen Annährung zwischen Teheran und Washington führen und zur Rückkehr des Iran in die Weltgemeinschaft. Genau das will man verhindern.

Die von vielen lange ersehnte Einigung im Atomkonflikt sollte nun so schnell wie möglich in trockene Tücher gebracht werden. Denn die Gegner sind zahlreich und dazu noch mächtig.

Sie können unterhalb dieses Artikels einen Kommentar abgeben. Wir freuen uns auf Ihre Meinungsäußerung!