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Im Zweifel für den Angeklagten

Daniel Pelz21. Oktober 2014

Das langersehnte Ende des Pistorius-Prozess ist da: Südafrikas Sprint-Star und die globale Ikone des Behinderten-Sports muss für fünf Jahre ins Gefängnis. Ein angemessenes Strafmaß, findet Daniel Pelz.

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Oscar Pistorius nach dem Urteil (Foto: Reuters)
Bild: Reuters/S. Sibeko

Richterin Cool ist sich treugeblieben - auch beim Strafmaß für Südafrikas Sprintstar Oscar Pistorius: fünf Jahre Haft für den Totschlag an seiner Freundin Reeva Steenkamp und drei Jahre auf Bewährung für den rücksichtslosen Gebrauch einer Waffe. Bei guter Führung, so sagen Justizexperten, könnte Pistorius bereits nach zehn Monaten aus dem Gefängnis freikommen und den Rest der Strafe unter Hausarrest verbüßen. Richterin Thokozile Masipa hat gesprochen - so nüchtern und sachlich, wie sie den Prozess geleitet hat, ist sie auch beim Strafmaß geblieben.

Die Anklage hatte zehn Jahre Haft gefordert, die Verteidigung nur Hausarrest. Das Strafmaß liegt also genau dazwischen. Hausarrest sei für diese Art Vergehen zu wenig, eine hohe Haftstrafe aber zu gnadenlos, sagte die Richterin bei der Verkündung des Strafmaßes.

Strafmaß liegt in der Mitte

Daniel Pelz (Foto: DW)
Daniel Pelz, Leiter der DW-Redaktion Englisch für AfrikaBild: DW/P. Henriksen

Das Strafmaß liegt in der Mitte - und das ist angemessen. Mag Pistorius ein rücksichtsloser Narziss, Playboy und Waffennarr sein: Nachzuweisen war ihm nicht, dass er seine Freundin Reeva Steenkamp kaltblütig ermordet hat. Und auch wenn selbsternannte Justizexperten in- und außerhalb Südafrikas seine Weinattacken, sein Erbrechen im Gerichtssaal und seine Trauer als Schauspielerei abtun wollen - es ist richtig, dass das Gericht dieser Interpretation nicht gefolgt ist. Nach der Logik der Justiz hat Oscar Pistorius Reue gezeigt und das muss ein Gericht bei der Verkündung des Strafmaßes auch anerkennen.

Im Zweifel für den Angeklagten - das müsste über Urteil und Strafmaß eigentlich stehen. Freunde macht sich die Richterin bei vielen Südafrikanern damit wahrscheinlich nicht. Stattdessen düfte ein guter Teil der südafrikanischen Volksseele jetzt kochen. "Reicher weißer Mann kann sich durch eine gute Verteidigung von einer härteren Strafe freikaufen" - so oder so ähnlich werden viele Reaktionen lauten.

Schlampige Ermittlungen

Doch moralische Argumente dürfen vor Gericht nicht zählen. Narzissmus oder Waffenliebe sind kein Straftatbestand und können bei der Strafe nicht negativ angerechnet werden. Und dass Oscar Pistorius sich eine bessere Verteidigung leisten konnte, darf das Gericht auch beim Strafmaß nicht berücksichtigen. Allein Beweise und Zeugenaussagen dürfen dabei zählen.

Hier wäre eher Kritik an Südafrikas Polizei angebracht. Ein Spurensicherer fasste die Tatwaffe mit blossen Händen an, ein Staatsanwalt spazierte in Straßenschuhen am Tatort umher, ein Polizeibeamter stahl eine Uhr. Hätten die Strafverfolger einen besseren Job gemacht, hätten schlagkräftige Beweise auf dem Tisch gelegen, dann hätte vielleicht auch das Urteil anders oder das Strafmaß höher ausfallen können. Südafrikas Bevölkerung sollte darauf drängen, dass Südafrikas gesamter Polizei- und Justizapparat besser wird - dann kommen auch mehr Menschen in den Genuss eines solchen fairen Verfahrens und Strafmaßes, wie Oscar Pistorius.