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Politik

Indonesien - Wahlsieger mit Schrammen

Vidi Athena Dewi Legowo-Zipperer DW-Mitarbeiterporträt
Vidi Legowo-Zipperer
18. April 2019

Joko Widodo wird wohl Indonesiens Präsident bleiben. Doch er hat viel von seiner einstigen Strahlkraft verloren. Er sollte endlich die Menschenrechtsthemen angehen, die er seit 2014 ignoriert, meint Vidi Legowo-Zipperer.

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Indonesischer Präsident Joko Jokowi Widodo
Bild: Reuters

Joko Widodo, genannt "Jokowi", hat es wieder geschafft. Hochrechnungen zufolge hat er die Präsidentschaftswahlen in Indonesien gegen seinen Herausforderer Prabowo Subianto gewonnen - auch wenn das endgültige Ergebnis noch aussteht.

Um ehrlich zu sein, ist Jokowis Sieg keine Überraschung. Vor dem letzten TV-Duell beider Kandidaten spielte Jokowi sein Rockstar-Image voll aus. So hielt er eine Rede im größten Fußballstadion Indonesiens vor zehntausenden jubelnder, in Rot und Weiß gekleideter Anhänger. Der Auftritt rief dem ganzen Land noch einmal in Erinnerung, mit welchem Charisma der amtierende Präsident schon die Wahlen 2014 für sich entscheiden konnte. Damals wurde er vor allem von vielen begeisterten Jungwählern ins Amt gehievt - über die Landesgrenzen hinaus wurde er der "Barack Obama Indonesiens" genannt. Jokowi galt als Vertreter der jüngeren Generation, als Außenseiter und viel gefeiertes Gegenbild zur politischen Elite, die bis dahin Indonesiens Regierungsgeschäfte fest in ihrem Griff hatte.

"Jokowi hat seine Werte verraten"

Doch der Jokowi von heute hat viel vom Glanz des damaligen Wahlsiegers eingebüßt. Während seiner ersten Amtszeit sah er sich wachsender Kritik gegenüber, vor allem weil er versuchte, auch den Interessen der alten Eliten Rechnung zu tragen. Das heißt nicht, dass Jokowi nicht auch einige gute Dinge auf den Weg gebracht hätte. Er sorgte dafür, dass eine ganze Reihe von Infrastrukturprojekten aufgesetzt wurden. In diesem Jahr eröffnete die erste U-Bahn-Linie in Jakarta. Und er setzte ein großes Gesundheitsprogramm auf.

Und doch: Jokowis Entscheidung, ausgerechnet Ma'ruf Amin als Vize zu nominieren, hat in Indonesien viele überrascht. Denn Amin war eine der treibenden Kräfte bei der juristischen Verfolgung von Jokowis engem Vertrauten, Basuki Tjahaja Purnama. Der ehemalige Gouverneur von Jakarta ist besser unter seinem chinesischen Spitznamen "Ahok" bekannt. Er wurde 2017 wegen angeblicher Blasphemie zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Auch wenn Ahok Anfang 2019 vorzeitig aus der Haft entlassen wurde, haben es viele Jokowi-Anhänger dem Präsidenten übelgenommen, ausgerechnet mit Amin an seiner Seite in den Wahlkampf zu ziehen. Es passte überhaupt nicht zu Jokowis Bild als Reformer und Verfechter der Religionsfreiheit. Mit dieser Entscheidung kompromittierte Jokowi seine Werte, um politisch zu punkten.

Vidi Athena Dewi Legowo-Zipperer DW-Mitarbeiterporträt
Vidi Legowo-Zipperer, Teamleiterin DW IndonesischBild: DW/P. Böll

Schon 2014 begann Jokowi seine Präsidentschaft damit, acht zum Tode verurteilte Drogenhändler hinrichten zu lassen. Gnadengesuche ausländischer Staatschefs ignorierte er mit dem Hinweis, Indonesien befinde sich in einem "durch Drogen bedingten Notstand". Er versprach auch, die von Teilen der indonesischen Armee verübten Massaker von 1965/66 an Mitgliedern und Sympathisanten der Kommunistischen Partei Indonesiens aufzuklären. Doch seine Regierung spielte die Verbrechen herunter oder ignorierte sie ganz - genau wie alle anderen indonesischen Regierungen zuvor. Jokowi schwieg, als sein Vertrauter Ahok, der heute lieber "BTP" genannt werden will, wegen Blasphemie ins Gefängnis musste. Und unter Jokowis Regierung gingen Sicherheitskräfte mehrfach hart gegen religiöse Minderheiten oder gegen Mitglieder der indonesischen LGBT-Community vor.

Nichts zu verlieren

Es gibt nach wie vor viele Menschenrechtsverletzungen, gegen die Jokowi vorgehen müsste. Doch viele, die ihn normalerweise für seine Untätigkeit in diesen Dingen kritisieren, blieben in der letzten Phase des Wahlkampfes auffällig still, um seinen Wahlsieg nicht zu gefährden. Denn sein Gegenkandidat Prabowo Subianto, der Schwiegersohn von Indonesiens letztem Diktator Suharto, wäre die für sie deutlich schlechtere Alternative gewesen.

Und so setzen sie ihre Hoffnungen lieber darauf, dass Jokowi seine Wahlversprechen noch einlöst, bevor er 2024 sein Amt abgeben muss. Es ist seine letzte Amtszeit, also hat er nichts zu verlieren. Dies könnte Jokowis Vermächtnis werden.

Vidi Athena Dewi Legowo-Zipperer DW-Mitarbeiterporträt
Vidi Legowo-Zipperer Redaktionsleiterin DW Indonesisch