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Finger weg von Designer-Babys

4. August 2017

Forscher aus Oregon haben erstmals das Erbgut eines Embryos mit Hilfe der Gen-Schere CRISPR/Cas 9 repariert. Diese Forschung ist ein Gewinn, aber keine Option für Menschen mit Kinderwunsch, meint Fabian Schmidt.

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Retortenbaby-Verfahren bei Kinderlosigkeit
Bild: picture-alliance/ZB

Ja, es ist ein wissenschaftlicher Durchbruch, den die Forschergruppe aus Oregon erzielte, als sie mit Hilfe der Gen-Schere CRISPR/Cas9 eine Erbkrankheit in einem befruchteten menschlichen Embryo reparierte.

Ein Durchbruch ist es für die Grundlagenforschung, die durch solche Experimente immer besser versteht, wie unsere Gene funktionieren und welche Mechanismen dabei wirken. Diesmal ist herausgekommen, dass Embryonen über eigene Reparaturmechanismen verfügen, die andere Stammzellen nicht haben.

Dadurch wurde eine wichtige Grundlage für weitere Forschungen gelegt, die für ganz unterschiedliche medizinische Bereiche interessant sein können. Etwa für die Krebsforschung, weil es helfen kann, zu verstehen, wie und warum Stammzellen mutieren bzw. welche Selbstreparaturmechanismen es gibt, und warum diese plötzlich versagen, wenn ein Tumor entsteht. Aber auch für den wachsenden Bereich der Demenzforschung können solche Erkenntnisse spannend sein. 

Deshalb ist es wichtig, dass verantwortliche Forscherteams - unter strikter Anwendung enger ethisch-begründeter Grenzen - solche Versuche auch weiterhin unternehmen. Ziel muss allerdings der wissenschaftliche Erkenntnisgewinn sein. Und es darf keine Forschung an voll entwickelten Embryonen geben.

Ethische Grenzen müssen klar sein

Vor allem aber muss eine Grenze ganz klar gezogen werden: Niemals darf es das Ziel der Forschungen sein, in der klinischen Praxis genetisch veränderte oder auch von Erbkrankheiten "reparierte" Retortenbabys herzustellen und von Müttern austragen zu lassen.

Medizinische und ethische Gründe wiegen hierbei gleichermaßen schwer: Es ist unmöglich, sicher zu sagen, dass solche genetisch "reparierten" Kinder auch zu gesunden Erwachsenen werden. Das Genom ist einfach zu kompliziert. Kein Arzt kann durch Präimplantationsdiagnostik für ein ganzes Menschenleben abschätzen, ob die Gen-Schere so gut funktioniert hat, wie ursprünglich gedacht. Vielleicht treten im Alter Krankheiten auf, von denen wir noch gar nichts ahnen.

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DW-Wissenschaftsredakteur Fabian Schmidt

Ethisch sollten wir uns davor hüten, Gott zu spielen und in die menschliche Keimbahn einzugreifen. Denn würden wir überhaupt akzeptieren, dass es richtig ist, Erbkrankheiten auf diese Weise zu reparieren, müssten wir genau definieren was noch oder schon als Krankheit gilt: Wollen wir den Eingriff nur für Fälle zulassen, wenn das Kind mit einer lebensbedrohlichen Sichelzellenkrankheit oder einem erblichen Muskelschwund zur Welt kommen würde? Oder dürfen es auch ganz allgemeine Wünsche zu den Erbanlagen sein - etwa zu Krebsveranlagung, einem bestimmten Körperbau, der Körpergröße oder gar Haarfarbe?

Nein, damit sollten wir gar nicht erst anfangen. Es ist nämlich überhaupt nicht nötig, bekanntes krankes Erbgut zuerst mit der Gen-Schere zu reparieren, um sich damit dann einen Kinderwunsch zu erfüllen.

Zur Vermehrung nehmt doch das Erbgut, das es schon gibt

Gesundes und biologisch vielfältiges Erbgut gibt es auf dieser Erde wie Sand am Meer: Mehr als sieben Milliarden Menschen tragen es in sich. Wenn ein Paar einen Kinderwunsch hat, kann es vorher durch einen Bluttest prüfen lassen, ob die Gefahr einer Erbkrankheit besteht. Sollte das so sein, lassen sich alternativ auch gesunde Ei-Spenderinnen oder Samenspender finden.

Zugegeben, das Kind ist dann biologisch nicht mehr das "eigene", aber der Homo-Sapiens unterscheidet sich ja gerade vom Tier dadurch, dass er ein vernunftbegabtes Wesen ist.

Vielleicht kann er ja seine ureigene Eitelkeit überwinden und den Sprung über den Schatten der Evolution wagen: Er muss sich nicht unbedingt von Darwins Prinzip leiten lassen, dass der Sinn des Lebens in der Weitergabe des "eigenen" Erbguts besteht. Elternliebe sollte davon jedenfalls nicht abhängig sein.

Und bevor jemand über solche Gen-Scheren-Versuche in der Klinik auch nur beginnt nachzudenken: Es gibt weltweit sehr viele bedürftige Kinder, die dringend Adoptiveltern suchen.

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Fabian Schmidt Wissenschaftsredakteur mit Blick auf Technik und Erfindungen