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Japan ist kein Vorbild

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Jens Thurau
11. August 2015

Erstmals seit der Atomkatastrophe von Fukushima wurde in Japan wieder ein Reaktor ans Netz genommen. Gibt es also doch eine Renaissance der Kernenergie? Wohl kaum, und vor allem nicht in Deutschland, meint Jens Thurau.

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Japan Neustart Kernkraftwerk Sendai
Bild: Reuters/I. Kato

Die haben Nerven! Etwas mehr als vier Jahre nach der Katastrophe von Fukushima hat Japan wieder eines seiner Kernkraftwerke ans Netz genommen. Nicht, dass es an Protesten der Bevölkerung dagegen gefehlt hätte, zumal die Folgen von Tsunami und Kernschmelze in der Region um Fukushima immer noch deutlich zu spüren sind. Aber der Regierung von Shinzo Abe waren die hohen Kosten für importiertes Gas und Öl nach dem Abschalten der Reaktoren jetzt zu teuer. Eine Entscheidung aus rein wirtschaftlicher Sicht, die so in Deutschland wohl kaum mehr getroffen würde.

Denn anders als in Japan ist der Beschluss der deutschen Regierung, nach Fukushima auf die Kernenergie zu verzichten, wohl endgültig. Keine relevante politische Kraft in Deutschland setzt sich für neue Atomkraftwerke ein. Diskutiert werden stattdessen die hohen Kosten für den Rückbau der seit 2011 abgeschalteten neun Kernkraftwerke und vor allem die Entsorgung des Atommülls. Währenddessen schreitet die Energiewende voran, ruckelnd zwar, aber doch unaufhaltsam. Neue Stromtrassen für den Windstrom aus dem Norden sorgen für Ärger bei den Bürgern, der hohe Strompreis auch, manchmal auch die "Verschandelung" der Landschaft durch mittlerweile rund 25.000 Windräder. Aber die Bevölkerung trägt die Energiewende mit. Der Häuslebauer mit dem Solarmodul auf dem Dach ist im Zweifelsfall schon lange gegen die Kernenergie. Und das ist der Unterscheid zu Japan.

Volksbewegung gegen Atomkraft fehlt

Japan war durch die Naturkatastrophe schwer getroffen und verzichtete erst einmal auf die Kernenergie, aber es gab keine breite Bewegung in der Bevölkerung dagegen, wie sie in Deutschland schon viele Jahre auch ohne heimische Katastrophe entstanden war. Ob die Regierung in Japan nun tatsächlich wie geplant in den nächsten 15 Jahren 24 weitere Reaktoren wieder anwirft, bleibt abzuwarten.

Denn in Japan, in Deutschland und überall auf der Welt gilt: Atomenergie ist unsicher und teuer, teurer jedenfalls als die erneuerbaren Energien, deren steile Lernkurve in den zurückliegenden Jahren die Installation auch in weniger reichen Ländern ermöglicht. Rund 430 Reaktoren waren im April 2015 weltweit am Netz, die 43 japanischen Anlagen eingerechnet. Diese Zahl stagniert seit Jahren, es werden eher alte Anlagen vom Netz genommen als neue in Betrieb. China will in den nächsten Jahren 27 Reaktoren bauen (und wird sich dabei wohl kaum um Sorgen und Ängste der Bevölkerung scheren) - investiert aber auch groß in die Erneuerbaren. Auch Indien plant neue Kernanlagen, ebenso Russland. In den meisten westlichen Demokratien ist die Kernenergie aber eher rückläufig.

DW-Mitarbeiter Jens Thurau
Jans Thurau, Korrespondent im DW-HauptstadtstudioBild: DW/D. Engels

Kein Atomkraftwerk trägt sich selbst

Und die rund 430 Reaktoren werden immer älter, anfälliger, unsicherer. Irgendwann stellt sich die Frage nach den Kosten von Rückbau und Entsorgung. Eine Frage von Milliarden, die dann zumeist der Staat bezahlen darf. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat in einer Studie festgestellt: Bislang ist nirgendwo ein Atomkraftwerk ohne massive staatliche Unterstützung gebaut und finanziert worden. Für die Länder des Südens, die oft ohne zentrales Netz auskommen müssen, sind die erneuerbaren Energien sowieso besser geeignet als die zentralen Atommonster.

Deshalb, trotz Japan: Die Zukunft gehört Wind- und Sonnenstrom sowie einer besseren Energieeffizienz. Und speziell in Deutschland ist die Atomkraft gegen die Menschen sowieso nicht durchzusetzen. Das hat Angela Merkel begriffen, als sie 2011 die Bilder aus Fukushima sah. Und ganz gegen ihre sonstige Art schnell handelte und das atomare Zeitalter in Deutschland beendete.

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