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Politik

Jeremy Corbyn, springen Sie über Ihren Schatten!

Maaß Birgit Kommentarbild App
Birgit Maaß
25. September 2018

Beim Parteitag in Liverpool stimmt die Labour Party darüber ab, ob sie die Position zum Brexit verändern und sich für ein zweites Referendum einsetzen will. Ja bitte, meint Birgit Maaß. Das Land braucht eine Alternative!

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UK Jährlicher Parteitag von Labour
Bild: picture-alliance/AA/I. Infantes

Soll sich doch Theresa May die Finger verbrennen - so ungefähr lässt sich die bisherige Brexit-Strategie der größten Oppositionspartei Großbritanniens beschreiben. Ein klarer Gegenentwurf zu Mays umstrittener Verhandlungsstrategie: Fehlanzeige. Wie genau soll Großbritannien nach Labours Vorstellungen nach dem Brexit aussehen? Weiß man auch nicht so recht. Lediglich darauf, dass man Mitglied der Zollunion bleiben möchte, hat sich Labour nach langem Ringen verständigt. Das utopische Labour-Ziel eines "Jobs First"-Brexits aber, bei dem es Arbeitnehmern nach dem Austritt besser geht als vorher, nimmt kaum jemand ernst.

Hoffnungsschimmer für den "Exit vom Brexit"

Dass nun beim Parteitag das erste Mal in Aussicht gestellt wird, dass Labour sich offiziell für ein zweites Referendum einsetzen könnte, ist ein kleiner Durchbruch für Labours Pro-Europäer. Zwar ist die Formulierung schwammig und lässt der Parteispitze alle Optionen offen - auch die, sich am Ende für Neuwahlen und nicht für eine neue Volksabstimmung einzusetzen. Aber doch ist es ein Hoffnungsschimmer, eine Möglichkeit für Labour, einen klaren Gegenentwurf zu Theresa Mays Strategie zu präsentieren, womöglich einen "Exit vom Brexit".

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Birgit Maaß ist DW-Korrespondentin in London

Auf den ersten Blick liegt es auf der Hand, dass sich Labour mindestens für einen "soft Brexit", wenn nicht gar für ein zweites Referendum einsetzen sollte, das den Briten die Möglichkeit böte, ihre Entscheidung vom Juni 2016 noch einmal zu revidieren. Denn sowohl die Mehrheit der Labour-Parteimitglieder, als auch die Mehrheit der Abgeordneten im Unterhaus ist klar pro-europäisch. Aber ihr Anführer Jeremy Corbyn, der Oppositionsführer, ist es nicht. Schon während des Wahlkampfes vor dem Referendum brachte der Labour-Chef es nicht fertig, für die EU Flagge zu zeigen: Er sei "70 Prozent" pro-europäisch, sagte er - zu mehr konnte er sich nicht durchringen.

Hinzu kommt, dass auch viele Labour-Wähler für den Austritt aus der EU gestimmt hatten. Zwar gibt die Mehrheit der Briten inzwischen an, es sei ein Fehler gewesen, aus der EU auszutreten, und viele befürchten negative Auswirkungen auf die Wirtschaft. Aber noch gibt es in der Gesamtgesellschaft keinen klaren Trend zum zweiten Referendum. Viele Wähler, so ist der Eindruck, wollen von diesem unangenehmen Thema einfach nichts mehr hören.

Druck von der Basis der Partei

Aber: Innerhalb der Labour-Partei hat sich gehörig etwas getan. Während die Parteispitze beim Parteitag vor einem Jahr Abstimmungen zum Brexit noch verhindern konnte und sich auf innenpolitische Themen wie soziale Gerechtigkeit konzentrierte, gibt es dieses Mal Druck aus den eigenen Reihen. Neue Basisorganisationen, gegründet vor allem von jungen Leuten, wollen den Brexit verhindern. Sie verschafften sich Gehör, wie zum Beispiel bei einer Demonstration für eine zweite Abstimmung am Rande des Parteitags: "Kannst Du mich hören, Jeremy Corbyn?", rief der Unterhaus-Abgeordnete David Lammy - augenscheinlich mit Erfolg.

Die Labour-Spitze sollte den Enthusiasmus seiner Mitglieder nutzen und versuchen, die Stimmung im Land zu beeinflussen. Es wäre die richtige Strategie: Denn vor allem Labours Wähler in den strukturschwachen ehemaligen Industriegebieten würden unter einer Wirtschaftskrise leiden, die ein harter Brexit unweigerlich nach sich zöge. Bei allen Schwierigkeiten sollte Labour sich nicht scheuen, endlich Flagge zu zeigen. Großbritannien braucht eine Alternative zu Theresa Mays Brexit!