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Kein Demo-Verbot für Corona-Leugner!

3. August 2020

Die rücksichtslosen Proteste gegen Beschränkungen in der Corona-Krise sind ärgerlich, aber kein Grund, am Recht auf Versammlungsfreiheit zu rütteln. Darauf warten die Demokratie-Verächter nur, meint Marcel Fürstenau.

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Berlin I Proteste gegen Corona-Auflagen I Day of Freedom
Bild: Getty Images/M. Hitij

Keine Masken, kein Abstand - die Berliner Demonstration gegen Corona-Beschränkungen am Samstag war eine gezielte Provokation. Ein Angriff auf die Vernunft einer ganz überwiegend solidarischen Gesellschaft, die sich seit Monaten mit vereinten Kräften gegen die Pandemie stemmt. Die überwältigende Mehrheit der in Deutschland lebenden Menschen nimmt die Einschränkungen im Alltag mehr oder weniger begeistert in Kauf. Weil sie sich sicher ist: Nur so lässt sich Kampf gegen das Virus langfristig gewinnen.

Der Lohn für so viel Geduld und Gemeinsinn sind im internationalen Vergleich beeindruckend niedrige Zahlen von Infektionen und Todesfällen. Erfolge, die inzwischen auch zu weitgehenden Lockerungen geführt haben: Cafés und Restaurants haben längst wieder geöffnet, Kinos und Konzerte sind aus dem verordneten Dornröschenschlaf erwacht, Reisen sind nicht mehr verboten. In Schulen wird wieder unterrichtet. Umso absurder und verstörender wirkt die bizarre Demo vom Wochenende.

Keine Rücksicht, keine Einsicht, keine Verantwortung

Den Allermeisten, die sich da zusammengerottet haben, ging und geht es offenkundig nur um sich selbst. Herkunft und Motive mögen noch so verschieden sein, ihr egoistisches Verhalten eint sie: keine Rücksicht, keine Einsicht, keine Verantwortung. Das Motto der Demonstration spricht Bände: "Das Ende der Pandemie - Tag der Freiheit". Mehr Ignoranz und Dummheit ist schwer vorstellbar.

Deutsche Welle Marcel Fürstenau Kommentarbild ohne Mikrofon
DW-Redakteur Marcel FürstenauBild: DW

Gut, dass dieser groteske Protest trotzdem stattgefunden hat. Weniger gut, dass nun wieder reflexartig über eine Beschränkung der Versammlungsfreiheit diskutiert wird. Ein Verbot derartiger Aufmärsche gäbe den daran Teilnehmenden das, was ihnen fehlt: ein gutes Argument. "Seht her, der Staat beschneidet unser Grundrecht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit!" So trifft das Gegenteil zu: Dieser auf der Demo unübersehbar verachtete Staat, diese Demokratie hat den Protest ins Leere laufen lassen.

Diese Demo war auch ein Triumph der Demokratie

Besser hätte sich das aus ganz Deutschland angereiste bizarre Völkchen nicht selbst entlarven und lächerlich machen können. Für alle Welt wurde sichtbar, auf welcher Seite Weitblick und Toleranz stehen und auf welcher Engstirnigkeit und Intoleranz. Bei aller verständlichen Wut auf die Unbelehrbaren - diese Demonstration war auch ein Triumph der Demokratie und des Rechtsstaates. Denn wer Gesetze bricht oder Auflagen missachtet, muss mit Konsequenzen rechnen. So geschehen in Berlin, wo die Polizei schon während der Demo Strafanzeige gegen den Versammlungsleiter stellte: weil die Hygiene-Regeln nicht eingehalten wurden.

Als dann auch noch bei der abschließenden Kundgebung munter weiter gegen die Auflagen verstoßen wurde, löste die Polizei den Spuk auf. Der Staat ist also sehr wohl handlungsfähig. Manchen mag das angesichts der verstörenden Bilder und der mitunter aggressiven Stimmung zu wenig und zu spät gewesen sein. Und dennoch müssen selbst solche abstrusen Proteste weiterhin möglich sein. Sie mögen zuweilen zwar schwer erträglich sein, sind aber vor allem auch das: der Ausdruck einer freien Gesellschaft. 

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Marcel Fürstenau Autor und Reporter für Politik & Zeitgeschichte - Schwerpunkt: Deutschland