1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Angeschlagene Demokratie

Nicola Glass20. August 2007

In Thailand haben 58 Prozent der Wähler für eine neue Verfassung gestimmt - weniger als erwartet. Denn die neue Verfassung hat auch Nachteile, meint Nicola Glass in ihrem Kommentar.

https://p.dw.com/p/BW2X
Bild: DW

Der Entwurf für Thailands neue Verfassung ist abgesegnet. Doch die politische Unsicherheit bleibt. Denn dem Referendum haftete ein bitterer Beigeschmack an. Die Abstimmung über den neuen Verfassungsentwurf am Sonntag (19.8.) ist Ergebnis des gewaltlosen Putsches vom September vergangenen Jahres, in dem das Militär den populistischen Premierminister Thaksin Shinawatra gestürzt hatte. Der Putsch ist und bleibt ein herber Rückschlag für Thailands junge Demokratie.

Erosion schon vor dem Putsch

Um es ganz klar zu sagen: Auch unter Thaksin Shinawatra war Thailand längst keine Demokratie mehr, sondern eine Diktatur im demokratischen Gewand. Die Regierung unter Thaksin hatte alles daran gesetzt, Kritiker mundtot zu machen. Auch war sie für zahlreiche Menschenrechtsverletzungen mitverantwortlich.

Nicht der Putsch habe Thailands alte Verfassung entzwei gerissen, das habe Thaksin schon vorher getan, sagen manche Beobachter. Und sie haben Recht. Die alte Verfassung von 1997 galt als die beste, die das Land je hatte. In ihr waren die Bürgerrechte und Meinungsfreiheit ausdrücklich festgeschrieben. Doch sie bot unglücklicherweise auch Schlupflöcher für alle, die es wie der schwerreiche Ex-Unternehmer Thaksin darauf anlegten, sich durch ein politisches Amt zu bereichern.

Ernsthafter Schaden

Der neue Entwurf ist ganz klar eine "Anti-Thaksin-Verfassung": Die Vermengung von Politik und Big Business ist künftig strikt untersagt. Die Amtszeit des Premiers ist auf maximal acht Jahre begrenzt, ein Misstrauensvotum gegen den Regierungschef kann leichter initiiert werden. So weit, so gut.

Doch der thailändischen Demokratie hat das ganze Prozedere trotzdem ernsthaft geschadet. Die neue Verfassung legt fest, dass ein Teil der Senatoren von einem Komitee aus Rechtsexperten und Technokraten ernannt werden soll - anstatt vom Volk gewählt zu werden. Ein Teil der Sitze ist für Angehörige des Militärs und der Oberschicht reserviert. Und der Armee bleibt zudem das Recht vorbehalten, in Krisensituationen einzugreifen. Das heißt, künftige Staatsstreiche werden damit von vornherein legitimiert. Die Bedürfnisse des Volkes bleiben dabei außen vor.

Sehnsucht nach Stabilität

Die Thais haben mit diesem Votum gezeigt, dass sie endlich wieder politische Stabilität wollen. Doch sie könnten enttäuscht werden. Auf Thailand kommen turbulente politische Zeiten zu: Viele Bewohner im Norden und Nordosten haben gegen den neuen Entwurf gestimmt. Diese Provinzen sind die alte Machtbasis des gestürzten Premiers Thaksin und seiner mittlerweile aufgelösten Partei "Thais lieben Thais".

Jene Politiker, die heute am lautesten die Demokratie zurück verlangen, haben einst Thailands demokratisches System mit Füßen getreten. Sie haben wegen des Militärputsches ihre politische Macht eingebüßt und könnten dafür sorgen, dass die kommenden Monate in Thailand unruhig werden. Bis zu den Neuwahlen, die für Dezember versprochen wurden, wird das Land neue Straßenproteste erleben, vielleicht auch zunehmende Gewalt.

Um Jahre zurückgeworfen?

Einer quasi "Ein-Parteien-Regierung", wie es sie letztlich unter Thaksin gab, hat die neue Verfassung einen Riegel vorgeschoben. Künftig werden wieder Koalitionsbündnisse mehrerer Parteien das Land regieren, eine Konstellation, die sich allerdings in der Vergangenheit als ziemlich instabil erwiesen hat.

Manche befürchten gar - nicht ganz zu Unrecht - eine ähnliche Situation wie vor 16 Jahren: Nach einem Putsch im Februar 1991 hatte Thailands Militär eine Übergangsregierung eingesetzt und Neuwahlen versprochen. Weil die anschließenden Machtverhältnisse alles andere als eindeutig waren, wurde ein ehemaliger Militärchef an die Spitze des Staates gehievt - sehr zum Unmut der Bevölkerung.

Die darauf folgenden Massendemonstrationen auf Bangkoks Straßen im Mai 1992 endeten blutig. Wenn sich die Geschichte tatsächlich wiederholen sollte, dann haben die Putschisten vom September 2006 Thailand um viele Jahre zurückgeworfen. Da hilft dann auch keine noch so schön geschriebene Verfassung mehr.