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Keine Palme: Schade, aber kein Beinbruch

Jochen Kürten
Jochen Kürten
22. Mai 2016

Die Jury hat entschieden - aber nicht so, wie die Kritiker. Die Goldene Palme geht an Ken Loach, die deutsche Regisseurin Maren Ade geht leer aus. Das ist Festivalalltag, meint Jochen Kürten.

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Maren Ade (Foto: REUTERS/Jean-Paul Pelissier)
Bild: Reuters/J.-P. Pelissier

Tagelang galt sie in den internationalen Kritikerspiegeln als Favoritin. Maren Ade und ihr Film "Toni Erdmann" hatten gleich zu Beginn des Festivals wahre Begeisterungsstürme entfacht. Eine Deutsche in Cannes! Dazu noch eine Komödie! Die Kritiker waren mehr als angetan.

"Ein kleines Wunder" schrieb "The Guardian", "Eine absolute Schönheit, so bewegend wie unwahrscheinlich komisch", schwärmte "The Hollywood Reporter". Spanische und französische Kritiker äußerten sich ähnlich. Und die deutschen Kollegen waren auch ganz aus dem Häuschen. Eine zündende Komödie mit ernsten Untertönen, dazu inszeniert von einer hoffnungsvollen jungen Regisseurin. Die Begeisterung schien keine Grenzen zu finden.

Auch das Publikum der Uraufführung an der Croisette hatte nach Ende des Films minutenlangen Beifall gespendet. Die Zustimmung hielt bis zum Ende des Festivals an. Kein anderer Film hat derartige Höchstnoten bei der renommierten britischen Filmzeitschrift "Screen International" erhalten - bis zum Schluss. Und dann wurde kurz vor der offiziellen Preisgala auch noch die Auszeichnung der internationalen Filmkritiker vergeben: an "Toni Erdmann" von Maren Ade.

Jochen Kürten (Foto: DW)
Jochen KürtenBild: DW/P. Henriksen

Eine Palme gab's dann aber nicht. Weder die Goldene noch irgendeine andere. Das mag viele enttäuschen - doch bestätigt die diesjährige Preisvergabe beim wichtigsten Filmfestival der Welt nur einmal mehr eine alte Festivalweisheit: Das, was die Filmkritiker schätzen, muss noch lange nicht das sein, was die Jury bevorzugt. Dafür gibt es zahlreiche Beispiele in der Vergangenheit, in Cannes und Venedig, in Berlin und anderswo.

In der Jury eines großen Festivals sitzen in der Regel internationale Regisseure und Schauspieler. Zwar Profis in ihrem Geschäft - doch nicht selten haben sie einen anderen Blick auf die Filme als das Festivalpublikum.

Maren Ade sollte sich also nicht grämen. Ihr Film wird seinen Weg machen. Der Erfolg bestand schon allein in der Einladung zum Wettbewerb nach Cannes. Der zweite war die phantastische Aufnahme im Kino und bei der Kritk. Der dritte sind die vielen Auslandsverkäufe. "Toni Erdmann" wird demnächst in vielen Ländern der Erde sein Publikum finden, auch in den USA.

Und so ist der größte Erfolg für die Regisseurin, dass sie dem deutschen Film ein neues Gesicht verleiht. Sie wird die Aufmerksamkeit der weltweiten Kinozuschauer wieder mal nach Deutschland, auf die deutsche Kinokultur ziehen. Und auf andere deutsche Regisseurinnen und Regisseure. Auch die Festivalchefs in Cannes werden wohl, so ist zumindest zu hoffen, in den kommenden Jahren wieder öfters einen deutschen Film zur Palmenkonkurrenz zulassen.

Er glaube nicht an Wettkämpfe in der Kunst, verkündete Woody Allen gleich zu Beginn des Festivals in Cannes. Sein neuer Film "Café Society" hat den diesjährigen Jahrgang in Cannes eröffnet - außer Konkurrenz. Woody Allen spart sich schon lange den Wettkampf. Der sei nur etwas für den Sport, bemerkte der kluge Regisseur.

Vielleicht ein Trost auch für Maren Ade. Der größere Gewinn für sie dürfte sowieso im einhellligen Kritikerlob und im hoffentlich folgenden internationalen Publikumszuspruch liegen.