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Politik

Kolumbien braucht Reue, nicht Rache

25. November 2016

Der neue Friedensvertrag mit der FARC wird nicht dem Volk, sondern nur dem Parlament vorgelegt. Gut so! Präsident Santos hat endlich das populistische Spiel mit dem Frieden beendet, meint Astrid Prange de Oliveira.

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Kolumbien Bogota Unterzeichnung Friedensvertrag
Der Vertrag ist unterzeichnet: Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos (li.) und FARC-Chef Timoleon Jimenez Bild: Getty Images/AFP/L. Robayo

Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos hat dazugelernt. Er wird das neue Friedensabkommen mit der FARC-Guerilla nicht noch einmal dem Volk zur Abstimmung vorlegen. Um das historische Abkommen zu legitimieren, das den längsten Bürgerkrieg der Welt beenden soll, will er diesmal "nur" das Placet der Parlamentarier einholen.

Santos hat Recht. Denn die wichtigste Lektion aus dem Volksentscheid vom 2. Oktober, bei dem der Friedensvertrag mit der FARC mit knapper Mehrheit abgelehnt wurde, lautet: Frieden verkauft sich nicht von selbst, Appelle an Angst oder Rachegefühle hingegen schon.

Lektion zwei: Abkommen, die sich politisch nicht ausschlachten lassen, sind wertlos. Und weil dies so ist, nutzen politische Parteien Volksabstimmungen besonders gerne, um die politische Deutungshoheit für ihren Standpunkt zu erringen. Beim Plebiszit am 2. Oktober ist dies Ex-Präsident Alvaro Uribe eindeutig besser gelungen, als seinem Nachfolger Juan Manuel Santos.

"Schafft das Volk ab!"

Doch auch wenn es auf den ersten Blick so scheinen mag - so weit wie einst Bert Brecht geht Präsident Santos nicht. Der Dichter holte nach dem gescheiterten Volksaufstand vom 17. Juni 1953 zur hämischen Kritik gegen die SED-Diktatur aus und schlug maliziös vor, die Regierung solle das Volk auflösen und sich ein anderes wählen.

Prange de Oliveira Astrid Kommentarbild App
DW-Redakteurin Astrid Prange de Oliveira

Nein, der Friedensnobelpreisträger Santos eifert nicht dem diktatorischen SED-Regime nach, im Gegenteil: Mit seiner Entscheidung, das Abkommen dem Kongress zur Abstimmung vorzulegen und nicht erneut dem Volk, verhindert er den populistischen Missbrauch bei einem für das Land überlebenswichtigen Thema. Ein Standpunkt, der auch in Europa zunehmend an Relevanz gewinnt. Denn in der EU sind bereits zu viele etablierte Politiker in die Populistenfalle getreten.

Santos‘ Strategie ist auch deswegen richtig, weil das Friedensabkommen eine Pflicht gegenüber den Millionen von Opfern des Bürgerkriegs ist. Sie warten sehnlichst darauf, endlich die sterblichen Überreste ihrer Angehörigen ausfindig zu machen und ihnen ein würdiges Begräbnis zu ermöglichen - mit Hilfe der FARC. Sie wollen Reue, nicht Rache.

Der stille Schrei der Opfer

Opferverbände befürworten deshalb mehrheitlich das von Regierung und Rebellen ausgehandelte Friedensabkommen, auch wenn es gewiss nicht perfekt ist. Auch die vertriebene Landbevölkerung steht mehrheitlich ganz klar auf dieser Seite. Doch im Gegensatz zu den Gegnern des Abkommens, die vor allem in den Städten leben, dringen ihre Stimmen in Bogotá nur zaghaft durch.

Eigentlich könnten alle Beteiligten mit ihrer politischen "Ausbeute" der Friedensverhandlungen zufrieden sein. Santos geht als Friedensbringer in die Geschichte ein. Die FARC-Rebellen bekommen die Chance für einen politischen Neuanfang, und Uribe hat mit der Ablehnung des Referendums politisch triumphiert.

Doch auch Uribe muss einsehen: Mehr ist nicht drin. Das politische Spiel ist aus. Kolumbien braucht den Frieden dringender denn je. Ein besserer Friedensvertrag als der nun nachgebesserte ist nicht in Sicht. Und es wird ihn nicht geben.

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