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Kommentar: Komplimente mit Hintergedanken

Nina Werkhäuser14. Juli 2006

Die Verbesserung der deutsch-amerikanischen Beziehungen nach dem Besuch von George W. Bush in Deutschland ist begrüßenswert - ganz ohne Risiko ist sie nicht, meint Nina Werkhäuser in ihrem Kommentar.

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Bush und Merkel kommen bestens miteinander ausBild: AP

George W. Bush bekam die Bilder, die er wollte: Fröhliche Menschen begrüßten ihn auf dem wunderschönen Marktplatz von Stralsund, und der amerikanische Präsident genoss das Bad in der Menge sichtlich. In bester Laune schüttelte er viele Hände und legte immer wieder den Arm um die Bundeskanzlerin, die mit beseelter Mine neben ihm herlief.

Was für ein Kontrast zu den sterilen Bildern, die vom letzten Deutschlandbesuch Bushs noch allzu gut in Erinnerung sind: In der wintergrauen, eiskalten und menschenleeren Stadt Mainz hatten sich George W. Bush und der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder herzlich wenig zu sagen gehabt. Von diesem strahlenden Sommertag in Mecklenburg-Vorpommern sollte eine ganz andere Botschaft ausgehen: Die deutsch-amerikanischen Beziehungen sind wieder repariert, mehr noch: Sie sind geradezu innig.

Botschaft hinter den Symbolen

Dass viel Show dabei war bei Bushs Besuch in Merkels Wahlkreis, ist kein Geheimnis und keine Überraschung. Das deutsche Volk, das dem amerikanischen Präsidenten in Stralsund zuwinken durfte, bestand aus 1000 sorgfältig ausgesuchten Gästen. Die Gegendemonstranten wurden mit riesigem Aufwand von Bush ferngehalten, und die Protestplakate bekam er natürlich nicht zu Gesicht. Aber trotz des ausgeklügelten Drehbuchs und vieler Inszenierungen für die Kameras - entscheidend ist die Botschaft hinter den Symbolen und Gesten, und die ist eindeutig: Bush und Merkel kommen bestens miteinander aus. Und das Vertrauen zwischen ihnen ist im Verlauf der drei Treffen seit dem Amtsantritt der Bundeskanzlerin gewachsen.

Inzwischen sind sich Bush und Merkel ihrer politischen Freundschaft so sicher, dass sie sie öffentlich zelebrieren wie einst Schröder und der russische Präsident Vladimir Putin. Ohne Scheu vor Kitsch und Pathos schwärmte Bush in Stralsund von Merkels "kühnen Visionen und ihrem Herz voller Demut" und ergänzte: Ihre Meinung ist mir wichtig - sie ist eine Freundin. Ein größeres Kompliment hätte er der Bundeskanzlerin nicht machen können, die er schon in Washington fasziniert über ihr Leben in der DDR und die Zeit der Wiedervereinigung ausgefragt hatte.

Verlässlicher Partner

Aber es war nicht nur Bushs Bewunderung für Merkels Biographie und seine Neugier auf ihre Heimat, die das Treffen prägten. In der gemeinsamen Pressebegegnung betonte Bush, wie eng er sich in den wichtigsten internationalen Fragen mit der Bundeskanzlerin abspricht, eben weil er in ihr, weil er in Deutschland einen verlässlichen Partner sieht. Und allzu viele verlässliche Partner hat Bush nicht mehr in Europa.

Dass seine Wertschätzung für das deutsch-amerikanische Verhältnis in den vergangenen Monaten so rapide gewachsen ist, kann die Bundeskanzlerin als Erfolg verbuchen. Sie hat Bushs Vertrauen gewonnen, was ihr die Chance gibt, bei heiklen internationalen Themen direkt auf ihn einzuwirken. Die bei diesem Deutschland-Besuch zur Schau gestellte geradezu überschwängliche Begeisterung füreinander birgt aber auch eine gewisse Gefahr: Dass die manchmal notwendige kritische Distanz zueinander in der stetig anschwellenden Flut der gegenseitigen Komplimente untergeht.