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Kräftemessen ohne Gewinner

Viola Traeder10. Dezember 2015

Die argentinische Expräsidentin Kirchner weigert sich, ihrem Nachfolger die Amtsinsignien zu überreichen. Traurig, dass bei dem Streit die wirklichen Probleme des Landes untergehen, meint Viola Traeder.

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Die argentinische Falgge (Foto: Imago/ARCO IMAGES)
Bild: imago/Arco

Als der konservative Präsidentschaftskandidat Mauricio Macri am 22. November die Stichwahl in Argentinien gewann, war bereits klar, dass er es in Zukunft mit einer starken parlamentarischen Kirchner-Opposition aufnehmen muss. Von Beginn an machte seine Vorgängerin Cristina Fernández de Kirchner zudem deutlich, dass sie ihn nicht als ebenbürtigen Partner betrachtet: Bei ihrem ersten Treffen nach den Wahlen verweigerte sie nicht nur das offizielle Foto mit dem zukünftigen Präsidenten, sondern räumte ihm auch keine Gelegenheit ein, mit der Presse zu reden. Damit nicht genug. Kirchner verkündete diese Woche, dass sie nicht vorhabe, am Amtsantritt von Macri teilzunehmen.

Der Grund für das Zerwürfnis? Das südamerikanische Drama nahm seinen Lauf, als der neugewählte Präsident den Wunsch äußerte, seine Vorgängerin möge ihm bei der offiziellen Machtübergabe seine Amtsinsignien - eine blauweiße Schärpe und einen Stab - im Regierungspalast überreichen, wie es bis 2002 Tradition war. Damals entschied sich der Präsident Eduardo Duhalde, die Insignien im Kongress entgegenzunehmen, da er vom Parlament gewählt worden war. Seine Nachfolger, Herr und Frau Kirchner, behielten diesen Brauch bei, vermutlich, um ihre Nähe zum argentinischen Volk zu unterstreichen.

Doch Mauricio Macri nahm sich den Namen seines Parteienbündnisses "Cambiemos" (in etwa "Veränderung") zu Herzen und verlegte die symbolische Übergabe der Amtsinsignien wieder zurück in den Präsidentenpalast. Angeblich habe er einen möglichen Boykott seines Amtsantritts durch militante Kirchner-Anhänger vermeiden wollen, die versuchen könnten, ihn von den Zuschauerrängen aus in eine Abschiedsfeier für Cristina zu verwandeln. Schließlich wird die Veranstaltung nicht nur live im Fernsehen übertragen, es werden auch viele internationale Gäste anwesend sein. Wer weiß - wenn Macri gekonnt hätte, hätte er vielleicht auch gleich seinen Amtsschwur im Regierungspalast geleistet. Allerdings verbietet das die argentinische Verfassung.

Amtsantritt ohne offizielle Machtübergabe

Das Gerangel zwischen den beiden Präsidenten wurde noch absurder, als Fernández de Kirchner Macri öffentlich beschuldigte, sie misshandelt zu haben. Er habe sie bei einem Telefonat angeschrien, in dem er sie über den genauen Ablauf des Amtsantrittes informieren wollte. Um sich gegen seine Vorgängerin zu behaupten und zu verhindern, dass die Situation weiter eskaliere, sah Macri schließlich keinen weiteren Ausweg, als die argentinische Justiz einzuschalten. Ein Gericht entschied, dass das Amt Kirchners am 10. Dezember um Null Uhr abläuft, ihr Nachfolger jedoch erst sein Amt antreten darf, nachdem dieser seinen Schwur abgelegt hat.

Angesichts dieser Entscheidung weigerte sich die Expräsidentin, Macri die blauweiße Schärpe und den Stab zu überreichen sowie bei seinem Amtsschwur anwesend zu sein. Somit wird heute zum ersten Mal seit der Rückkehr zur Demokratie in Argentinien 1983 ein Amtsantritt ohne offizielle Machtübergabe stattfinden.

Vorgeschmack auf die nächsten Jahre

Kirchner hat ihre Abneigung gegenüber der neuen Regierung deutlich gemacht. Allerdings sind solche Machtspielchen kein würdiger Abgang für eine Präsidentin. Die ehemalige Staatschefin verlässt die politische Bühne nicht gerade erhobenen Hauptes. Wenngleich Macri sich nicht unterkriegen ließ - auch er geht nicht ganz unversehrt aus der Auseinandersetzung hervor.

Immerhin hat es seine Vorgängerin vermocht, aus einem symbolischen Staatsakt eine Staatsaffäre zu machen und Macri in ein Drama zu verwickeln, noch bevor er sein Amt angetreten hatte. Das Kräftemessen mit Kirchner könnte als ein Vorgeschmack auf die kommenden vier Jahre gedeutet werden. Allerdings wird Macri es dann nicht mehr nur mit einer schlechten Verliererin zu tun haben. Das argentinische Volk hat ganz andere Probleme. Es ist traurig, dass diese beim Amtsantritt des neuen Präsidenten in den Hintergrund geraten.Traeder, Viola