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Politik

Kubas Stillstand im Wandel

Amir Valle Kommentarbild PROVISORISCH
Amir Valle
23. Juli 2018

Kuba reformiert seine Verfassung. Aber fortschrittlich anmutende Veränderungen wie die Streichung des Wortes "Kommunismus" verschleiern gravierende politische Verschärfungen an anderer Stelle, kritisiert Amir Valle.

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Kuba neue Verfassung macht Weg für Homo-Ehe frei
Bild: picture-alliance/dpa/I. Perez

Kuba steht vor einem tiefgreifenden Wandel. Es passt daher ins Bild, dass die von der kubanischen Nationalversammlung angekündigte Verfassungsreform mit ihren Veränderungen im sozialen, wirtschaftlichen und politischen Leben mit großem Tamtam in die Welt hinausposaunt wird. Bei näherer Betrachtung sind diese Veränderungen aber mehr Schein als Sein.

Wesentliche Neuerungen betreffen zweifellos das Präsidentenamt. Kubas Präsident darf bei Amtsantritt künftig nicht älter als 60 sein und nicht länger als zweimal je fünf Jahre regieren. Dies ist durchaus bemerkenswert, da es sich hier um ein Land handelt, dass fast 60 Jahre lang vom Castro-Clan unter Ausschluss jeglicher Opposition regiert wurde. Bemerkenswert ist auch, dass der Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft als Staatsziel aus der Verfassung gestrichen wurde, auch wenn dieser Akt eher symbolischen als praktischen Wert hat. Diese Abkehr erlaubt aber die Anerkennung von Privateigentum, was bisher komplett undenkbar gewesen wäre. Es muss jedoch daran erinnert werden, dass diese Abkehr widersprüchlich bleibt, solange die kommunistische Partei weiterhin die einzige ist, die das Land regiert. Im politischen Bereich fällt außerdem auf, dass das Amt des Premierministers neu geschaffen wird, der für die Leitung des Ministerrates zuständig sein soll. Das ohnehin schon komplexe Gefüge der kubanischen Hierarchie wird dadurch nur weiter bürokratisch verkompliziert.

All diese Veränderungen haben schlussendlich nur ein Ziel: die institutionelle Optimierung der Macht der kommunistischen Partei. Es ist ein vorhersehbares Bestreben, wenn man bedenkt, dass die entscheidenden militärischen und nachrichtendienstlichen Posten, mithilfe derer die Insel noch immer regiert wird, weiterhin in der Hand Castro-ergebener Kräfte sind.

Zurück in die Vergangenheit

Die meisten "Veränderungen" stärken jedoch eine alte, schon länger von den Castros verfolgte Idee: Sie bilden ein Bollwerk gegen den "imperialistischen Feind". Vielleicht haben deswegen so viele kubanische Abgeordnete, allen voran der Schriftsteller Miguel Barnet, davon gesprochen, die "Anwesenheit des Kommandanten Fidel" in diesen "historischen" Sitzungen des kubanischen Parlaments gespürt zu haben.

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Der exilkubanische Schriftsteller und DW-Autor Amir Valle

Getreu der großen Paradoxie von Castros Ideologie, wonach einerseits für eine bessere Welt gekämpft wird, andererseits dabei aber die eigene Nation zugrunde ging, sind viele der avisierten Verfassungsänderungen widersprüchlich. Das Recht auf Privateigentum wird anerkannt, nicht aber die "Konzentration des Eigentums auf nicht-staatliche Akteure". Man spricht von der Aufrechterhaltung der "Errungenschaften des Sozialismus", schafft aber gleichzeitig die Kostenfreiheit einiger medizinischer Leistungen ab. Zusätzlich wird der Vorschlag unterbreitet, die Meinungsfreiheit zu stärken. Gleichzeitig wurden jedoch mittels eines neuen Dekrets die Arbeitsbedingungen von Künstlern und Journalisten ohne offizielle Genehmigung verschärft. Als wenn das nicht schon genug wäre, wird als neuer Kulturminister eine Person gehandelt, die aufgrund ihrer bedingungslosen Treue zu den Prinzipien der Castro-Zensur überall auf der Insel verhasst ist.

Auswirkungen auf Exilkubaner

Einige der geplanten Veränderungen betreffen auch Kubaner im Exil, die weiterhin in Kontakt mit dem Inselstaat bleiben wollen. Erstmals seit über sechs Jahrzehnten wird die doppelte Staatsbürgerschaft anerkannt. Doch auch hier gibt es einen Wermutstropfen: Sowohl für die Ein- als auch für die Ausreise muss der kubanische Pass verwendet werden. Auf kubanischem Boden werden die Exilkubaner mit doppelter Staatsangehörigkeit genau wie jeder andere Kubaner behandelt, das heißt, ohne die Privilegien, die Bürgern anderer Länder normalerweise gewährt werden.

Am alarmierendsten ist aber der Vorschlag, den "Landesverrat" unter Strafe zu stellen. Bisher handelt es sich dabei um einen strafrechtlich nicht relevanten politischen Kampfbegriff. Im politischen Sprachschatz wurde er abwertend in Bezug auf Kubaner verwendet, die im Ausland Asyl beantragten, während sie sich aus medizinischen, kulturellen oder sportlichen Gründen dort befanden. Nun könnte dies als Delikt bald unter Strafe stehen und somit für viele Auslandskubaner bei einer Wiedereinreise gefährlich werden. 

Schlussendlich sollen diese Änderungsvorschläge zur kubanischen Verfassung zwischen August und November einem Referendum unterzogen werden. Dabei handelt es sich aber um eine Farce. Das kubanische Volk wird keinen einzigen Vorschlag ablehnen können, da es sich bei dem Referendum um eine im Castro-Regime übliche Zwangsratifizierung handelt. Demokratischer wird es im neuen Kuba also nicht zugehen.

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