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Kommentar: Libanon braucht mehr als die Millionen

Peter Philipp, zurzeit Stockholm1. September 2006

Zusagen für fast doppelt so viel Geld wie erhofft: das ist das Ergebnis der Geberkonferenz für den Wiederaufbau des Libanons. Doch die eigentlichen Herausforderungen warten noch auf das Land, meint Peter Philipp.

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Der libanesische Ministerpräsident, Fuad Siniora, ist ein gebildeter Mann. Als Finanzfachmann an der Spitze einer Regierung von Experten sollte und wollte er den Wiederaufbau seines Landes weiter vorantreiben, den der 2005 ermordete Rafik Hariri so meisterhaft begonnen hatte. Aber das hatte er sich nicht träumen lassen: Der Krieg zwischen Israel und der Hisbollah hat den Libanon um Jahre zurückgeworfen und den Wiederaufbau dringlicher denn je gemacht.

Frustration und Verärgerung sind Siniora anzumerken. Nicht aber Resignation. Wenn er in Stockholm auf einer internationalen Geberkonferenz für sein Land wirbt, dann tut er das auf gewohnte professionelle Weise. Und er kann überzeugen. Wie der Erfolg von Stockholm zeigt: Für die unmittelbare Starthilfe haben Sinioras Fachleute einen Bedarf von einer halben Milliarde Dollar ermittelt und fast das Doppelte kommt zusammen. Selbst wenn Erfolgsstatistiken von Geberkonferenzen aus Erfahrung mit Vorsicht genossen werden müssen, weil die Geber nicht selten längst geleistete und für die Zukunft angedachte Zahlungen zusammenfassen, um besser dazustehen.

Verstoß gegen internationale Konventionen

Eine Konferenz wie die in Stockholm macht außerdem eine schwierige Gratwanderung: Eben noch sollte die Staatengemeinschaft um Hilfe zur Überwindung der alten Kriegsfolgen gebeten werden, und nun kommen die Folgen des neuen Krieges. Da fragt sich schon der eine oder andere, ob das denn ewig so weiter gehen soll und warum. Und die Frage drängt sich auf, ob nicht auch zur Kasse gebeten werden soll, wer die Zerstörungen angerichtet hat: Nämlich Israel. Es ist gewiss auch kein Zufall, dass just zum Beginn der Konferenz der massive Einsatz israelischer Splitterbomben bekannt wird - ein klarer Verstoß gegen internationale Konventionen.

Die Erörterung nach Verantwortung und Haftung Israels wird in Stockholm aber ebenso ausgeklammert wie die nach der Verantwortung der Hisbollah und ihrer Unterstützer in Damaskus und Teheran. Immerhin: Man hat weder Israel, noch Syrien oder den Iran eingeladen. Unausgesprochen sind die drei Staaten aber allgegenwärtig. Allen Beteiligten ist klar, dass der Wiederaufbau alleine nichts nützt. Was erforderlich ist: Eine dauerhafte Beruhigung, eine Friedensregelung in Nahost, so utopisch das gerade jetzt zu sein scheint.

Wut im Bauch

Und der libanesische Premier hat ein Problem damit: Bevor er am 31. August nach Stockholm kam, erklärte er in Beirut, er werde "der letzte sein", der Frieden mit Israel schließe. Da ist sie, die Verärgerung: Israel hat den Libanon um Jahre zurückgebombt und wird hierfür nicht mit einem Frieden belohnt werden. Da können die Stockholmer Delegierten sagen, was sie wollen. Aber auch gegenüber der Hisbollah scheint Siniora Wut im Bauch zu tragen. Ohne das offen auszusprechen - das wäre für keinen libanesischen Politiker gesund. So stürzt Siniora sich auf die neue alte Aufgabe. Den Libanon wieder aufzubauen. Aber er weiß doch auch, dass ohne eine Lösung der Probleme mit der Hisbollah und Israel langfristig jede Mühe vergebens sein wird.