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Kommentar: Lotterie im Sturm

Andreas Sten-Ziemons8. Mai 2014

Joachim Löw hat für einige Überraschungen gesorgt und insgesamt einen guten Kader nominiert. Nur im Sturm setzt der Bundestrainer unnötigerweise auf Risiko, meint DW-Sportredakteur Andreas Sten-Ziemons.

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Andreas Sten-Ziemons (Foto: DW)
Bild: DW

Man wird möglicherweise nie erfahren, ob bei Stürmer Mario Gomez die Tränen geflossen sind, als er von Bundestrainer Joachim Löw telefonisch mitgeteilt bekam, dass er bei der WM in Brasilien nur Zuschauer sein wird. Man weiß nicht, wie Torwart René Adler die Nachricht seiner Nicht-Nominierung aufgenommen hat, ob er möglicherweise sogar schon damit gerechnet hatte, nachdem er in den vergangenen Wochen mehrfach entscheidend patzte. Und wie geht es Adlers Mannschaftskameraden beim Hamburger SV, dem Angreifer Pierre-Michel Lasogga, der aufgrund der Sturm-Misere im deutschen Team, doch als so etwas wie die letzte Hoffnung betrachtet wurde, nun aber doch außen vor bleibt?

Fakt ist: Löw hat bis auf Miroslav Klose und Sami Khedira keine Ausnahmen gemacht, sondern seinen vorläufigen WM-Kader im Kern streng nach Leistung und Fitnessstand aufgestellt. Bei den Kaderplätzen, die um die erweiterte Stammelf herum noch vakant waren, hat sich der Bundestrainer erlaubt, auf die Jugend zu setzen. Auch das ist bei 30 Nominierungen - also sieben Spielern mehr als letztlich nach Brasilien mitfahren werden - legitim. Wer weiß schon, ob ein fitter Kevin Volland nicht die bessere Wahl ist, als ein angeschlagener Lasogga, oder ob ein Senkrechtstarter wie Erik Durm, auf Außen nicht besser verteidigt als Hamburgs Heiko Westermann…

Kein Ersatz für Klose

Fakt ist allerdings auch: Während sich Löw auf vielen Positionen keine Sorgen machen muss und mit den jungen Spielern sogar noch interessante Alternativen in der Hand hat, sieht es im Angriffszentrum mager aus. Löw hat Klose als einzigen klassischen Mittelstürmer in seinen Kader berufen und muss darauf hoffen, dass der Angreifer von Lazio Rom - wie schon so oft in seiner Karriere - nach mehreren Verletzungen wieder pünktlich zum Turnierstart in WM-Form kommt.

Spielszene Miroslav Klose (Foto: PATRIK STOLLARZ/AFP/Getty Images)
Klose ist als "Wackelkandidat" dabei...Bild: PATRIK STOLLARZ/AFP/Getty Images

Tun ihm Klose und sein mittlerweile fast 36-jähriger Körper diesen Gefallen aber nicht, hat Löw keinen adäquaten Ersatz auf der Bank, sondern muss sein System umstellen und die Position im Angriffszentrum dann mit einem Spieler besetzen, der dort normalerweise nicht zu Hause ist, einer sogenannten "falschen Neun". Thomas Müller und Mario Götze wären dann die ersten Alternativen. Kevin Volland, André Schürrle und Lukas Podolski mit Abstrichen ebenfalls. In den vergangenen Länderspielen, bei denen Klose fehlte, klappte das im Grunde nur gegen schwache Iren gut (3:0). Gegen Italien (1:1), England (1:0) und Chile (1:0) nur bedingt.

Gomez fehlt

Löw spielt auf Risiko und vertut mit der Nichtberücksichtigung von Mario Gomez im vorläufigen Kader eine große Chance. Natürlich hat Gomez lange nicht gespielt und stand zudem noch nie im Verdacht zu den besonderen Lieblingen Löws zu gehören. Aber er hat eine beeindruckende Torquote aufzuweisen: In 59 Länderspielen hat Gomez 25-mal getroffen, in 236 Bundesligaspielen 138-mal. Das verlernt man nicht so schnell. Und selbst wenn er letztlich nur als Joker oder Ersatzmann nach Südamerika gereist wäre, aus freien Stücken hätte man auf seine Offensivqualitäten nicht verzichten sollen, schließlich hat keiner der nominierten Angreifer ähnliche Zahlen aufzuweisen.

Jubelszene Mario Gomez (Foto: Andreas Gebert/dpa)
...auf "Wackelkandidat" Gomez verzichtet Löw dagegen.Bild: picture-alliance/dpa

Es wäre zudem eine Nominierung ohne großes Risiko gewesen. Gomez hätte das Trainingslager in Südtirol (21. bis 31. Mai) mitmachen und sich wieder an die Mannschaft herantasten können. Doch diese Möglichkeit wird ihm nun genommen. Schade! Schließlich hätte man Gomez am 2. Juni, wenn der endgültige 23-Mann-Kader bei der FIFA angemeldet werden muss, immer noch aussortieren können, falls es doch nicht gereicht hätte.