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Politik

Macron schminkt sich grün

Barbara Wesel Kommentarbild App *PROVISORISCH*
Barbara Wesel
27. November 2018

Etwas weniger Atomkraft und mehr erneuerbare Energie verspricht Emmanuel Macron für die nächsten Jahre. Aber er kann seine Pläne nicht zu Lasten der Bürger durchsetzen, meint Barbara Wesel.

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Greenpeace Protest Atommeiler Fessenheim 18.03.2014
Bild: Bente Stachowske/Greenpeace/Maxppp/Fessenheim/dpa

Der Energie-Plan des französischen Präsidenten ist nicht einmal ein Einstieg in den Ausstieg. Frankreich hängt zu drei Viertel von Atomstrom ab, und er will diese Quote erst zehn Jahre später als bisher vorgesehen auf 50 Prozent senken. Immerhin wird Emmanuel Macron in zwei Jahren endlich das alte Pannen-Atomkraftwerk Fessenheim schließen, das ein dauernder Zankapfel zwischen Deutschland und Frankreich ist. Abgesehen davon aber wird das Land noch weitere Jahrzehnte von der Atomkraft abhängig sein. Macron wagt es nicht, seinen Bürgern auch noch höhere Strompreise aufzubürden, nachdem er mit der höheren Besteuerung von Benzin und vor allem von Diesel schon Massenproteste ausgelöst hat.

Frankreich hat die Umstellung verpasst

In Frankreich kommt Atomstrom aus der Steckdose und war jahrelang billig. Macron wagt es jetzt nicht, an diese Ressource zu rühren, denn es gibt gegen die Atomenergie wenig Widerstände. Aus diesem Grund kann die Regierung auch Anlagen weiterlaufen lassen, die eigentlich am Ende ihrer Lebenszeit sind. Der Präsident will einfach keinen weiteren Gegenwind gegen seine wirtschaftspolitischen Pläne provozieren. Mit seiner enormen Abhängigkeit von der Kernkraft hat Frankreich die Umstellung auf erneuerbare Energien einfach verpasst und hinkt weit hinter seinen Nachbarländern her.

Auch deshalb nennt Macron den Atomstrom weiterhin eine "kohlenstofffreie und günstige Energie" und blendet die Gefahren aus. Wobei das Preisargument Augenwischerei ist, da die enormen Kosten für die Stilllegung Dutzender alter AKWs nur auf die Zukunft verschoben werden. Fessenheim wird tatsächlich die einzige Anlage sein, die der Präsident noch selbst schließen wird, alle weiteren Pläne liegen in der fernen Zukunft.

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Barbara Wesel, Europa-Korrespondentin der DW

Außerdem sind die zwei bis drei Milliarden mehr für erneuerbare Energien, die der Präsident darüber hinaus jetzt verspricht, kaum mehr als ein Trostpflaster. Zwar beginnt der französische Energieriese EDF inzwischen mit Planungen für mehr Wind- und Solarkraft, jedoch wirkt die ganze Energiepolitik halbherzig und unkoordiniert.

Gerade im Süden des Landes könnte die Sonnenkraft großflächig genutzt werden, es fehlt allerdings an preiswerter Technologie, an örtlichem Knowhow und an Anreizen für Industrie und Bürger. In Frankreich werden die meisten aller schlecht isolierten Häuser nach wie vor mit Strom beheizt. Zwar sind die Preise dafür in den letzten Jahren schon schmerzhaft gestiegen, aber die Mehrzahl der Franzosen hat keine Alternative. Und Macron scheut hier ein grundlegendes Umlenken, denn er hat genug Probleme. Auch fehlt ihm das Geld in der Staatskasse, um mit großflächigen Programmen eine teure Umstellung zu unterstützen.

Die Fehler der Vergangenheit

Bei seinen anderen Umweltplänen, vor allem der Senkung von Dieselschadstoffen, hat es sich der französische Präsident wiederum zu leicht gemacht. Er drehte einfach an der Steuerschraube, um den Bürgern die Dieselfahrzeuge zu verleiden. Der Volkszorn traf ihn unerwartet, doch Emmanuel Macron und seine Berater sind an dem Debakel selbst schuld. Sie haben gezeigt, dass sie nichts über das Leben in den großen ländlichen Regionen wissen und tatsächlich mit der Arroganz der hauptstädtischen Elite handeln.

So anarchisch und inzwischen von anderen Interessen unterwandert die protestierenden "Gelbwesten" auch sein mögen, ihr ursprüngliches Anliegen war gerechtfertigt. Das Flächenland Frankreich förderte jahrzehntelang die Ansiedlung von Supermärkten auf der grünen Wiese. Das zerstörte die alten Strukturen mit Läden und Märkten in Dörfern und Kleinstädten. Gleichzeitig wurde der öffentliche Nahverkehr mit Bussen und Bahnen weggespart. Inzwischen müssen die Menschen für jeden Einkauf oder Arztbesuch kilometerweit fahren. Ihre Wut ist verständlich, müssen sie doch für eine verfehlte Politik zahlen, die zur Verödung des ländlichen Lebens und gleichzeitig zur totalen Abhängigkeit vom Auto führte.

Umdenken für den Umweltschutz

Wenn Emanuel Macron den in Frankreich vernachlässigten Umweltschutz voran bringen und den Rückstand bei erneuerbaren Energien aufholen will, dann braucht er einen Masterplan für den umfassenden Umbau seines Landes. Er müsste beginnen, die Fehler der Vergangenheit wieder gut zu machen, Umweltschutzmaßnahmen dezentral zu planen und gleichzeitig die leistungsstarke französische Industrie zu Forschung und Entwicklung für die Energiequellen der Zukunft anzuregen.

Die halbherzigen Versuche des Präsidenten aber, sich auf Kosten der Bürger eine grüne Weste anzuziehen, werden im Volkszorn untergehen. Klimaschutz und Energiewandel sind keine Themen, mit denen man sich dekorieren und einen modernen Anstrich geben kann. Dazu gehören weit mehr Kenntnisse, Engagement und politischer Wille als Präsident Macron bisher investieren wollte.