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Kommentar: Mannschaftsaussprache im Bundestag

Peter Stützle21. Juni 2006

Angela Merkel jubelnd im Fußballstadion - das prägt sich dieser Tage weit mehr ein als jede noch so ausgefeilte Rede im Bundestag. Aus gutem Grund wurden die Haushaltsberatungen bis zur WM in die Länge gezogen.

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Angela Merkel freut sich über jedes Tor der DeutschenBild: picture-alliance/ dpa

Es geht - wohlgemerkt - um den Bundeshaushalt für das schon halb vergangene Jahr 2006: Wegen der vorgezogenen Bundestagswahl war der im vergangenen Jahr nicht mehr durchs Parlament gekommen; seither wurde der Haushalt 2005 einfach verlängert. Jetzt kommen da und dort noch ein paar Milliönchen zur Konjunktur-Förderung obendrauf - und fertig ist ein Haushalt mit Rekorddefizit. Gut für die Regierung, dass den Leuten momentan der Fußball wichtiger ist.

Richtig zur Sache - mit Einsparungen, Subventionskürzungen und Steuererhöhung - geht es dann beim Haushalt 2007. Der wird am 5. Juli im Bundeskabinett beraten, dem Tag des Halbfinales. Ins Parlament geht der Haushalt 2007 dann in der zweiten September-Hälfte - nach den Landtagswahlen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern. Gute Zeiteinteilung gehört eben zum erfolgreichen Spiel.

Kaum ein gutes Haar

Und Begeisterungsfähigkeit. So sahen jetzt in der Haushaltsdebatte die Redner der Koalition denn auch in der gegenwärtigen Hochstimmung des Volkes eine gute Voraussetzung, um beherzt die Probleme des Landes anzupacken. Auch mit Maßnahmen, die - wie so manche Rettungsaktion im Fußball - wehtun, aber sein müssen. Selbst der liberale Oppositionsführer Guido Westerwelle findet es erfreulich, dass die miesepetrige Stimmung im Lande verflogen sei - auch wenn er am Spielaufbau der Regierungsmannschaft kaum ein gutes Haar lässt.

In den Tagen bis zum Endspiel am 9. Juli hat die Koalition noch einiges vor: Gesundheitsreform und Unternehmenssteuerreform sollen auf den Weg gebracht, die Föderalismusreform, die das Verhältnis zwischen Bund und Ländern regelt, soll beschlossen werden. Die nötigen Mehrheiten dafür hat die Große Koalition, sofern sich die Partner untereinander einig sind. Den Willen dazu haben sie in der Haushaltsdebatte deutlich gezeigt und ihre staatspolitische Verantwortung betont.

Familien-Werte in Gefahr

Wenn dann in diesen Tagen jemand einen politischen Fehlpass schlägt - wie CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla mit seinem Vorschlag zum Familien-Splitting, kann die Koalition darauf vertrauen, dass das in den sportlichen Jubelgesängen untergeht. Pofallas Vorstoß, Familien mit Kindern auf Kosten kinderloser Ehepaare bei der Steuer besser zu stellen, hat derzeit ohnehin keine Aussicht auf Verwirklichung. Gleichwohl kann er die eigenen Reihen verunsichern, in denen mancher schon traditionelle Familien-Werte in Gefahr sieht. Da muss Merkel aufpassen, dass nicht irgendwann die Trainerfrage gestellt wird. Im Moment aber besteht höchstens die Gefahr, dass Pofalla eine Wahl gewinnt: Als Tor des Monats.