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Werdet endlich vernünftig!

4. Mai 2019

Heute gehen weltweit wieder Menschen für die Wissenschaft auf die Straße. Beim "March for Science" geht es um nichts Geringeres als das Erbe der Aufklärung, das immer noch verteidigt werden muss, meint Fabian Schmidt.

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Ein Demonstrant hält beim March for Science 2017 ein Plakat hoch
Forschung braucht auch Finanzierung, sagen die Demonstranten beim "March for Science". Bild: picture alliance/Winfried Rothermel

Es scheint schon paradox, dass noch im 21. Jahrhundert Menschen auf die Strasse gehen müssen um darauf hinzuweisen, wie wichtig die Wissenschaft für uns ist.

Aber sinnvoll ist es allemal, denn auch 237 Jahre nachdem Immanuel Kant seine "Kritik der reinen Vernunft" veröffentlicht hat, ist es um die Vernunft nicht überall besonders gut bestellt.

Dabei müssen wir nicht einmal nur in den nahen und ferneren Orient schauen, wo religiöse Extremisten versuchen, mittelalterliche Wertvorstellungen inklusive Sklavenhalterei in moderne Staatsgebilde zu gießen.

Unverbesserliche Fanatiker überall

Auch im Westen gibt es drei Jahrhunderte nach der Renaissance noch unverbesserliche Fanatiker, die versuchen, die Evolutionstheorie aus Schulbüchern fernzuhalten, weil für sie nur die alttestamentarische Schöpfungsgeschichte gilt.

Formen moderner Unvernunft gibt es direkt vor der Haustür auf Schritt und Tritt: sei es die weitverbreitete Impfgegnerschaft, Homöopathie oder sonstige irrationale Esoterik. Und immer wieder gerät auch die Forschung unter Druck, weil ihre Erkenntnisse politisch nicht opportun sind - wie etwa zum Klimawandel. 

Mehr dazu: Was wir heute noch von Leibniz lernen können

Schmidt Fabian Kommentarbild App
DW-Wissenschaftsredakteur Fabian Schmidt

Medizin-, Chemie- und Technikfeindlichkeit fallen auch deshalb auf einen fruchtbaren Boden, weil wir uns ehrlicherweise eingestehen müssen, dass die Wissenschaft niemals endgültige Antworten liefern kann und wird. Allein eine solche Forderung an die Forschung wäre schon zutiefst unwissenschaftlich. Es liegt ja in der Natur der Wissenschaft, dass Erkenntnisse immer wieder hinterfragt werden.

Aus dieser notwendigen Schwäche der Wissenschaft aber abzuleiten, dass man sein Heil lieber in einfachen Antworten mit geschlossenen Weltbildern suchen soll, wäre grober Unfug. Denn ohne die Aufklärung wäre unsere Welt ganz sicher nicht besser als sie ist. Und wenn wir immer wieder hören, dass die Verunsicherung heutzutage ständig zunehme, sollten wir vielleicht mal hinterfragen, ob das objektiv wirklich so ist, oder ob wir uns das nur einreden.

Die Früchte der Aufklärung wertschätzen

In der Tat ist weltweit der Anteil der Menschen, die in absoluter Armut leben, seit dem frühen 19. Jahrhundert von fast 95 Prozent auf unter zehn Prozent gesunken. Der Wohlstand hat massiv zugenommen. Gleichzeitig hat sich die Weltbevölkerung mehr als versiebenfacht. Die Lebenserwartung hat sich von damals etwa 40 Jahren auf heute mehr als 80 Jahre verdoppelt.

Sichere Ernährung, Wohlstand und Gesundheit, die wir heute genießen dürfen, haben wir vor allem der Wissenschaft zu verdanken. Und selbst der Frieden, in dem weltweit die meisten Menschen heute leben können, ist ein nicht minder wichtiger Verdienst der Aufklärung.

Wir sollten behutsam mit all diesen Errungenschaften umgehen und sie nicht in dekadentem Überdruss herabwürdigen. Ganz im Sinne von Kant: Habt Mut Euch Eures eigenen Verstandes zu bedienen!

Mehr dazu:  Wissenschaft geht auch am Stammtisch