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Mehr als nur "ökonomischer Irrsinn"

Rostek Andreas Kommentarbild App
Andreas Rostek-Buetti
18. September 2018

Nächste Runde im Handelsstreit zwischen den USA und China. Die große Keule, die Donald Trump jetzt schwingt, wird auch andere treffen, nicht zuletzt die Amerikaner selbst, meint Andreas Rostek-Buetti.

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Symbolbild Handelskrieg USA und China mit Dollar- und Yuan-Geldschein
Bild: picture-alliance/chromorange/C. Ohde

Man muss nicht lange abwägen und analysieren, um die jüngste Eskalation des Donald Trump in seinen Zollattacken gegen China als "ökonomischen Irrsinn" qualifizieren zu können. Man muss eigentlich nur die Mitteilung aus dem Weißen Haus zur neuerlichen Erhöhung der Zinsen gegen chinesische Importe zur Hand nehmen. "Hoffentlich wird diese Handelssituation am Ende gelöst", lässt sich der oberste Weltökonom Trump da zitieren, "von mir selbst und Präsident Xi von China". Für den hege er "großen Respekt und Zuneigung".

In diesen deliranten Sätzen kommt der Kern des Problems geradezu klinisch rein zum Ausdruck. Die Lage mag komplex sein, es mag Probleme geben, die auch zu einer Krise führen mögen. Jahrzehntelang mag da ein internationales Regelwerk mit allerlei internationalen Institutionen entstanden sein, um solchen Problemen und Krisen zu begegnen. Alles bullshit. Eine Männerfreundschaft soll es richten, selbst wenn die Welt in Trümmer geht.

Spürbarer, aber überschaubarer Schaden

Schauen wir dennoch auf den "ökonomischen Irrsinn", den der Vorsitzende der EU-Handelskammer in China, Mats Harborn, in der neuerlichen Erhöhung der US-Zölle gegen China am Werke sieht. Selbst wenn Trump auch seine letzte Waffe ziehen sollte und die Ankündigung wahr macht, in einer Phase drei praktisch alle Einfuhren aus China mit Zöllen von 25 Prozent zu verteuern, würde das Chinas Wirtschaftswachstum nur um 0,3 Prozent abbremsen. Vielleicht werden es 0,5 Prozent sein. In den vergangenen Jahren legte die chinesische Wirtschaft um jährlich sechs bis sieben Prozent zu. Da würde ein durch Strafzölle angerichteter Rückgang zwar durchaus spürbar werden - aber eine wirkliche Gefahr wird daraus nicht.

Jedenfalls nicht, wenn man wie China in langen Phasen rechnet. Und die Ziele Chinas - etwas das Projekt Neue Seidenstraße - greifen weit in die Zukunft. Letztendlich geht es um ein historisches Ziel: die Rückkehr ins Zentrum der Welt, an den Platz, der China im eigenen Weltbild seit jeher zusteht. Ein paar Jahrzehnte hatte man ihn verloren, die Geschwindigkeit der Rückkehr an die Spitze aber ist atemberaubend. Und auf diesem Weg soll die Kraftmeierei in Washington ein Hindernis sein?

China besitzt US-Staatsanleihen im Wert von mehr als einer Billion Dollar. Insgesamt dürften die US-Schulden gegenüber China höher liegen, genannt wird die Zahl von 1,2 Billionen Dollar. 1,2 Billionen Dollar, das sind 1028 Milliarden Euro, ein paar Euro mehr oder weniger - je nach Umrechnungskurs. Natürlich wird Peking aus diesen Schulden keine Waffe machen - zu schnell wäre dieser Schatz dann entwertet: Die Kurse für US-Staatsanleihen können auch wegsacken. Peking hätte das Nachsehen.

Und doch. Dieses Schuldenpaket wirkt wie eine Rückversicherung. Selbst wenn Peking nicht mehr mit gleicher Münze auf die immer weiter steigenden Strafzölle aus dem Weißen Haus reagieren kann, weil Trump chinesisches Importgut im Wert von gut 505 Milliarden Dollar mit Zöllen belegen kann, umgekehrt aber die USA nur Waren im Wert von 130 Milliarden Euro nach China exportieren. Da ist der Raum für Gegenmaßnahmen in Form von Zöllen begrenzt.

Nicht nur an die Wirtschaft denken!

Aber verlassen wir den Bereich dieser zollpolitischen Schulhofmanieren. Worum geht es eigentlich? Worum sollte es für Europa gehen? China setzt seine weitreichenden Ziele ummantelt von der Illusion marktwirtschaftlicher Sitten und Gebräuche durch. Mit Recht darf man hinter chinesischen Großinvestoren auch in europäischen Schlüsselunternehmen die lenkende und geldgebende Hand des Staates vermuten. Auch im diesjährigen Bericht der EU-Handelskammer in Peking beschweren sich EU-Unternehmen in China wieder über die Bevorzugung dortiger staatlicher Unternehmen, über Marktzugangsbarrieren, mangelnden Schutz geistigen Eigentums und einen Zwang zum Technologietransfer. Der europäische Verbund beklagt, diese "mangelhafte Marktöffnung" sei auch die Wurzel des eskalierenden US-chinesischen Handelskonflikts.

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Andreas Rostek-Buetti, DW-Wirtschaftsredaktion

Der chinesische Staat ist eine Parteidiktatur. Ab und an sollte man daran erinnern. Ein komplexes, an Widersprüchen reiches System - aber sicherlich nicht einmal eine "lupenreine Demokratie", die ein früherer deutscher Kanzler einst im autokratischen System des Kremls erkennen wollte. Letztendlich herrscht da für wirtschaftliche Akteure aus Europa (wie aus anderen Teilen der Welt) keine Waffengleichheit. Aber es darf für sie auch nicht um Waffengänge gehen. Es muss Europa darum gehen, immer noch fehlende Reformen in China zu befördern. Das ist ein langer mühsamer Weg. Der kann nur gepflastert sein mit international akzeptierten Rechtsnormen, auch mittels der Handelsorganisation WTO. Dazu gehört auch die umsichtige, stille Stärkung der Kräfte im Lande, denen es eher um innere Demokratie als um wirtschaftliche Freiheiten geht. Darüber muss man keine großen Worte verlieren. Man muss es nur machen.

All das geht nicht mit Cowboymanieren. Der Zollstreit wird deswegen den Raum der Reformer in China selbst noch weiter einengen. Das wird der wahre Schaden sein, den China erleiden wird. Und den wird auch Europa zu spüren bekommen. Wenn die EU nicht politisches Kapital aus dem "ökonomischen Irrsinn" zu schlagen weiß.

Kollateralschäden absehbar

Wirtschaftliche Kollateralschäden wird es genug geben. Sie treffen nicht zuletzt Schwellenländer, über denen schon jetzt Gewitter aufziehen, die an Hurrikan Florence oder Taifun Haiyan gemahnen. Kommt es zu einem Handelskrieg zwischen Trump und der chinesischen Führung, der diesen Namen verdient, dann wird das zu einem Aufwertungsdruck auf den Dollar führen, weiß das deutsche Ifo-Forschungsinstitut. Der belastet dann die Schwellenländer. Zwar würden auch die Europäer und vorweg die exportbegeisterten Deutschen die Folgen spüren. Aber die können das wegstecken. Für Entwicklungsländer aber, oder für Länder wie Argentinien und die Türkei könnten sich daraus existenziell bedrohliche Szenarien entwickeln.

Für die USA selbst mag gelten, was Susan Schwab, frühere Handelsbeauftragte des republikanischen Präsidenten George W. Bush, jetzt anmerkte: "Wer vorgibt, dass die Einführung von Zöllen durch die USA nicht die US-Wirtschaft schädigt, hält sich selbst zum Narren." Vielleicht findet der oberste US-Ökonom Trump, dass er auch dabei eine großartige Figur abgibt.