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Merkel meint es ernst

Peter Stützle8. Juni 2012

Angesichts der Schuldenkrise hat Angela Merkel gefordert, Europa zur politischen Union weiterzuentwickeln. Mancher hat bisher am europäischen Engagement der Bundeskanzlerin gezweifelt. Zu Unrecht, meint Peter Stützle.

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Bei Helmut Kohl war die Sache klar. Aufgewachsen im deutsch-französischen Grenzgebiet, hat er schon als junger Mann im Nachkriegsdeutschland zusammen mit Freunden Grenzpfähle aus dem Boden gerissen. Später als Politiker hat er immer wieder deutsche Einheit und europäische Einheit als "zwei Seiten einer Medaille" bezeichnet. Kohl war ein Europäer des Herzens. Dafür haben ihn die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union 1998 zum "Ehrenbürger Europas" ernannt.

Auch Angela Merkel hat das mit den zwei Seiten einer Medaille oft gesagt, aber dennoch schien bei ihr die Sache nicht so klar. Sie ist aufgewachsen in der DDR, wo die Menschen über die Mauer nach Westdeutschland gesehen haben und nicht unbedingt gleich weiter nach Paris oder Rom. Und in der Wendezeit haben sie "wir sind ein Volk" gerufen und "Deutschland einig Vaterland". Logisch.

Doch dieses verständliche Streben nach einem geeinten Deutschland hatte, von Randgruppen abgesehen, nichts Nationalistisches. Nirgendwo flatterten mehr Europa-Fahnen, waren mehr Autos mit EU-Aufklebern verziert. Europa war von Vorneherein eingepreist, gehörte zum Paket mit der Aufschrift "Deutsche Einheit". Und für Wenige war das klarer als für Angela Merkel, die schon bald eng an der Seite Helmut Kohls arbeitete.

Porträt Peter Stützle. Foto DW/Olof Pock August 2009
Peter Stützle, DW-HauptstadtstudioBild: DW

Merkel weiß, dass Deutschland Europa braucht

Die Paneuropäer, zu denen der spätere Bundeskanzler Konrad Adenauer gehörte, hatten nach dem Ersten Weltkrieg die Einigung Europas als Frage von Krieg und Frieden bezeichnet und leider recht behalten. Helmut Kohl hatte den Zweiten Weltkrieg miterlebt und daher immer mit großem Pathos vom geeinten Europa als Friedenswerk gesprochen. Aber auch Angela Merkel hat diesen Gedanken in unzähligen Reden angesprochen - zwar nicht so pathetisch, aber das heißt nicht, dass sie in der Sache weniger engagiert ist.

Auch die "Europäer der Herzens", zu denen in Deutschland neben Kohl der nur wenig jüngere Wolfgang Schäuble gehört, haben sehr rationale Gründe für ihre Haltung. Sie sind überzeugt, dass Deutschland, der Staat mit den meisten Nachbarn in Europa, nur in einem geeinten Europa gedeihen kann, politisch ebenso wie wirtschaftlich. Diese Überzeugung teilt Angela Merkel. Und weil sie merkt, dass dieses europäische Miteinander durch die Schuldenkrise in Gefahr gerät, lautet für sie die einzige Konsequenz: noch enger zusammenrücken.