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Merkel will das wirklich schaffen

14. Dezember 2015

Sie hatte kein ausformuliertes Manuskript, aber Angela Merkel hatte den Parteitagsdelegierten viel zu sagen. Vielleicht wurde ihre Rede gerade deshalb zu einem phasenweise emotionalen Appell, meint Christoph Strack.

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Angela Merkel (Foto: Reuters/K. Pfaffenbach)
Bild: Reuters/K. Pfaffenbach

Die CDU-Vorsitzende erinnerte an ihren Satz "Wir schaffen das", den sie Ende des Sommers gesagt hatte und der seitdem oft kritisiert wird. Und sie wiederholte ihn. "Ich kann es sagen, weil es zur Identität unseres Landes gehört, Größtes zu leisten." Die Integration der Flüchtlinge stellt sie in eine Reihe mit dem Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Prozess des Aufbaus Ost. Generationenprojekte. Aber eben auch Erfolgsgeschichten. Und wie sie das sagte... Merkel traf wie selten zuvor den genetischen Code der Partei und machte sie stolz. Vom "C" aus dem Parteiname Christlich Demokratische Union kam sie zur Flüchtlingsaufnahme. "Da kommen keine Menschenmassen, sondern es kommen einzelne Menschen." Grüße nach München an die Schwesterpartei CSU, so ganz nebenbei.

Dabei zeigte die Rede deutliche Änderungen am bisherigen Kurs. Merkel verkaufte bereits Perspektiven, die sie im zweiten Asylpaket den Sozialdemokraten noch abtrotzen will. Längere Aufenthalte in Aufnahmezentren, mehr Abschiebungen, mehr Sach- als Geldleistungen. Und bei aller Betonung von Menschlichkeit und Offenheit: Merkel sprach auch wieder den merkwürdigen Satz, den sie auch beim CSU-Parteitag in München sagte: Man könne auch mit freundlichem Gesicht abschieben. Sie meint das so.

Merkel als Mutmacherin

DW-Reporter Christoph Strack
DW-Redakteur Christoph StrackBild: DW

Alle, die nach Merkel ans Mikrofon traten, dankten und würdigten und lobten die Kanzlerin. Aber einige brachten auch ihre Sorgen vor: der andere Kurs vieler EU-Staaten, die Belastungen für die Kommunen, die kulturellen Herausforderungen. Dazu passt die energische Absage Merkels an "Multikulti". An dieser Stelle schaltete sie kämpferisch in den Wahlkampfmodus und warnte vor "Multikulti" als "Lebenslüge".

Und der "Aufstand"? Er war im Vorfeld sicher nicht nur medial beschworen. Die Kritiker im Mittelbau - sie sind da, aber sie fügen sich. Die Delegierten der Basis sind da näher an der Vorsitzenden. Ganze zwei Gegenstimmen gab es für den Leitantrag, der weder von Obergrenze noch von Begrenzung spricht.

Es war eine gute, eine starke Rede. Eine in jedem Gedankengang europäische Rede. Merkel weiß, was sie an der Partei hat - und dass sie eben die Verzagteren mitnehmen muss. Die Frau, der vielfach das Abwarten als politischer Stil nachgesagt wurde, zeigte sich nun als Mutmacherin, als Erklärerin des Möglichen.

Aber ebenso weiß die Partei, was sie an Merkel hat. Lange vor der eigentlichen programmatischen Rede ging Merkel für einige Formalien ans Rednerpult. Schon da gab es minutenlangen Beifall - der sie irgendwann anmerken ließ "Ich habe doch noch gar nichts gemacht." Merkel und die CDU, die CDU und Merkel, sie sind einander an diesem Karlsruher Dezembertag noch nähergekommen. Und nicht nur die Spitze, auch die Partei knüpft ihr Schicksal an Offenheit für Flüchtlinge und Entschlossenheit zur Integration. So schlecht ist das nicht.