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Merkels Waterloo?

Scholz Kay-Alexander Kommentarbild App
Kay-Alexander Scholz
4. Februar 2016

Aufgrund der Flüchtlingskrise sinkt Angela Merkels Rückhalt in der deutschen Bevölkerung rapide. Das ist kein Wunder, denn aus der Willkommens- ist längst eine Besorgniskultur geworden, meint Kay-Alexander Scholz.

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Deutschland Karneval Motivwagen in Köln (Foto: Dpa)
Die Flüchtlinge als harte Nüsse für Angela Merkel - so wird die Kanzlerin beim Rosenmontagszug in Köln gezeigtBild: picture-alliance/dpa/O. Berg

Das Öffnen der Grenzen für die Flüchtlinge war Angela Merkels politischer Alleingang: Es gab keinen EU-Beschluss, der Bundestag wurde nicht gefragt, geschweige denn das deutsche Volk. Sie ist als Kanzlerin einfach vorgeprescht - und bekam anfänglich dafür viel Beifall aus Deutschland und der ganzen Welt. Doch die Sogwirkung, die Merkels Schritt auslöste, hat die Vorstellungskraft vieler gesprengt.

Es gibt in den Reihen der CDU schon jetzt Bundestagsabgeordnete, die davon reden, dass es nach der nächsten Wahl einen Untersuchungsausschuss über die Vorgänge im Sommer 2015 geben werde. Angestoßen von AfD und FDP, die nach jetzigem Stand der Umfragen erstmals, beziehungsweise wieder im Parlament vertreten sein werden. Dass Merkels Vorgehen rechtlich angreifbar ist, wissen viele. Die CSU droht inzwischen sogar mit einer Verfassungsklage.

Deutschland ist auf Merkel-Entzug

70 Prozent der Bevölkerung sind mittlerweile beunruhigt wegen des ungebremsten Flüchtlingszustroms. So mies war die Stimmung seit zehn Jahren nicht mehr. Und weil für viele gilt "Flüchtlingskrise gleich Merkel, Merkel gleich Flüchtlingskrise", ist Merkels Popularität derzeit so schlecht, dass die Mehrheit mit ihrer Arbeit als Regierungschefin unzufrieden ist.

Auch eine psychologische Komponente spielt bei diesem Stimmungsbild eine Rolle: Merkel regiert Deutschland inzwischen seit zehn Jahren. Für das Land waren es gute Jahre. Soziologen sprachen bis vor kurzem lobend gar von einer "Generation Merkel". Entsprechend waren die Umfragewerte in den vergangenen Jahren für Merkel immer hervorragend.

Kommentarfoto Kay-Alexander Scholz Hauptstadtstudio
Kay-Alexander Scholz, Korrespondent im HauptstadtstudioBild: DW/S. Eichberg

Es war doch alles auf gutem Wege, schütteln viele mit dem Kopf. Keine neuen Schulden mehr, Rekord-Steuereinnahmen und niedrige Arbeitslosenzahlen - warum wird nun alles kaputt gemacht? Wenn die Klassenbeste nun versagt, wie viele meinen, dann ist die Enttäuschung doppelt schmerzhaft. Auch deshalb sind die emotionalen Ausschläge momentan so extrem - Deutschland ist auf Merkel-Entzug.

Sorge um Europa

Europa ist ein weiterer Punkt. Die Deutschen sind eigentlich in der Mehrheit enthusiastische Europäer. Doch jetzt sehen sie in den Abendnachrichten, wie die schwer erarbeitete europäische Einheit immer mehr Risse bekommt. Der Gegenwind für Merkels europäischen Ansatz in der Flüchtlingspolitik bläst und bläst. Viele haben längst den Glauben an Merkels Plan aufgegeben. Das geht bei manchen einher mit einer stillen Wut, die sich dann in Umfragen widerspiegelt. Andere äußern diese Wut inzwischen laut und fühlen sich bei Populisten und Pegida gut aufgehoben. Und nochmal andere zermürbt die Sorge, dass nun extreme Kräfte in Europa das politische Sagen bekommen.

Europa in der Krise wegen Angela Merkel! Dabei war es doch gerade sie, die Europa in den vergangenen Jahren so nach vorn gebracht hat. Tragisch sei dies, sagen manche. Im Ergebnis sinkt auch die Zustimmung für die EU gerade ziemlich dramatisch.

Prognosen? Schwierig!

Wie geht es weiter? Wird Merkel weitermachen, zurücktreten oder weggeputscht? Eine Antwort darauf gibt es derzeit nicht. Allerdings: Merkel hat schon einige Stimmungstiefs politisch überlebt, zum Beispiel nach der Finanzkrise und während der Griechenland-Krise. Außerdem: Die Maßnahmen, die jetzt im Rahmen des jüngsten Asylpakets II vereinbart wurden, bewertet die Mehrheit der Bevölkerung als gut.

Es könnte somit auch alles wieder anders, also besser für Merkel werden. Entscheidend wird sein: Wann sinkt die Zahl der Flüchtlinge, die noch immer zu Tausenden ins Land kommen?

Lieber nicht ausmalen möchte man sich derzeit, was passieren würde, gäbe es einen großen Terroranschlag in Deutschland. Auch das würden dann garantiert viele Angela Merkel in die Schuhe schieben.

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