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Gesellschaft

#MeToo #IDidThat - Und was bleibt?

Kommentarbild Helena Weise
Helena Weise
22. Oktober 2017

Mit dem Hashtag #MeToo geht die Debatte über Sexismus in die nächste Runde. Doch Zyniker und Verharmloser behalten bis auf weiteres die Oberhand. So wird sich auf Dauer nichts ändern, meint Helena Weise.

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Kampagne #MeToo
Bild: picture-alliance/dpa/B. Pedersen

"Ich habe geniest, ein Mann hat Gesundheit gesagt. Das wollte ich nicht, dieses Schwein! #MeToo"" twittert ein User gestern. Ein anderer: "Woher soll man wissen, ob Frau sich über ein Kompliment freut oder gleich #MeToo schreit?" Ein Leidensgenosse pflichtet bei: "Es ist Zeit, endlich über feministischen #Sexismus zu sprechen. Und über sexuelle Belästigung durch Frauen. #MeToo #youtoo."

Gemischte Gefühle bei der Twitter-Community. Die einen verharmlosen zynisch, andere sind verunsichert - unter den Reaktionen auf den von Alyssa Milano gestarteten #MeToo gegen sexuelle Übergriffe findet sich alles. Sie zeigen: Die Männerwelt sieht sich offenbar herausgefordert - oder zumindest einer Antwort schuldig. Das beweisen auch Hashtagkampagnen wie #IDidThat oder #Iregret, wo Männer reihenweise beichten, selbst sexuelle Gewalt ausgeübt zu haben.

Bei dieser ganzen Bandbreite an reflexartiger Resonanz drängt sich vor allem eine Frage auf: Gibt es auch noch irgendetwas zwischen diesen Extremen? Den Raum für ein kurzes Gespräch über Grenzen und ihre Verletzung zum Beispiel, ohne mit dem Finger auf andere zu zeigen oder sich hinter Geschlechterstereotypen zu verschanzen? Ohne, dass man sich gleich in der Opfer-Täter-Matrix verorten muss?

Wohlgemerkt: Es geht hier nicht um sexuelle Gewalt, zumindest nicht in erster Linie. Es geht vielmehr um die Grauzone zwischen Flirt und Belästigung. Es geht um ungebetene Kommentare und aufdringliche Anmache. Diese Form von Sexismus ist nicht erst seit Hashtags wie #MeToo sichtbar - sehen und erleben kann sie jeder, jeden Tag. Worauf es ankommt, ist das Erkennen des sexuellen Übergriffs als solchen und das Einschreiten.

Kommentarbild Helena Weise
DW-Autorin Helena Weise

Denn solange es Männer normal finden, wenn einer ihrer Freunde im Club eine Frau ungefragt anfasst, solange jeder laut über den Spruch zum Hintern einer Kollegin lacht - und auch, solange ich als Frau schuldbewusst über einen kurzen Rock oder das tiefe Dekolleté nachdenke  - bleibt in puncto Sexismus weiterhin alles beim Alten. Dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis der nächste Hashtag im Netz viral geht. Und nach kurzer Empörung ebenso schnell wieder verebbt.

Und geändert hat sich dann wieder nichts. Weder zwischen Frauen und Männern noch zwischen Männern untereinander. Der geforderte "respektvolle Umgang" bleibt zu abstrakt. Dabei würde ein simples "Hey, wie Du die Frau gerade angemacht hast, finde ich unmöglich" schon reichen. Grenzen aufzeigen - auch, wenn es nicht die eigenen sind. Denn oft genug ist es eben nicht die Unsicherheit, die zu Übergriffen führt - ganz im Gegenteil. Die allermeisten wissen sehr genau, wann und wo sie Grenzen überschreiten. Umso besser, wenn dann eine oder einer daneben steht und es auch offen sagt. Im gleichen Zug kann man dann auch darüber sprechen, welche Rolle unser eigenes Verständnis von Frau und Mann, von weiblich und männlich dabei spielt. Inwieweit es vielleicht sogar als "normal" gilt, sie oder ihn auf bestimmte Weise anzusprechen - nach dem Motto: "Ein Mann fragt nicht, ein Mann nimmt." Denn genau das ist der erste Schritt Richtung Verhaltensänderung.

Sexismus ist ein Symptom: für eine Schieflage im Geschlechterverhältnis, für festgefahrene Geschlechterrollen und das Verhalten, das diese vorschreiben. Sexismus ist ein alltägliches gesellschaftliches Problem. Nicht selten resultiert er in sexueller Gewalt. Doch um ihn zu bekämpfen, muss er in einem ersten Schritt überhaupt als Problem wahrgenommen werden. Nichts anderes versucht der Hashtag #MeToo. Den Reaktionen auf Twitter zufolge könnte das bereits die größte Hürde sein.

Jetzt, wo das Thema auf dem Tisch ist, müssen wir, Frauen und Männer gleichermaßen, dafür sorgen, dass es - auch außerhalb der virtuellen Welt - da bleibt.

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