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Mit einer frommen Lüge zum Papst

26. Januar 2016

Er komme nicht als Politiker in den Vatikan, hat der iranische Präsident Rohani vor seiner Audienz beim Papst beteuert. Das aber ist nur die halbe Wahrheit, denn das Treffen war hochpolitisch, meint Christian F. Trippe.

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Italien Vatikanstadt Irans Präsident Hassan Rohani trifft Papst Franziskus
Bild: Reuters/A. Medichini

Natürlich haben die beiden Religionsgelehrten über ihre Religionen geredet. Sie haben ganz gewiss den Dialog zwischen Christentum und Islam vorangetrieben und aus katholischer wie schiitischer Sicht bereichert. Das ist Teil ihres Jobs - aber es ist eben nur die eine Hälfte. Die andere Hälfte geht alle an; auch jene, deren Reich ausschließlich von dieser Welt ist.

Franziskus und Hassan Rohani sind religiöse Führer und zugleich Staatsoberhäupter, die letzten ihrer Art. Sie stehen den beiden letzten verbliebenen theokratischen Staaten auf Erden vor. Auch so etwas verbindet (und es erleichtert sicherlich den interreligiösen Dialog - aber um den soll es hier ja nicht gehen). Dabei sind die Unterschiede zwischen den beiden Staaten in etwa so groß, wie sich das weiße Papstgewand von der schwarzen Robe des iranischen Präsidenten abhebt. Der Kontrast könnte schärfer nicht sein.

Diskretion ist Markenzeichen des Vatikan

Die Menschenrechtslage im Iran ist prekär. Pünktlich zu Rohanis Rom-Reise erinnern Menschenrechtsorganisationen daran, dass dutzende Jugendliche im Iran zum Tode verurteilt worden sind und jederzeit hingerichtet werden können. Ob Franziskus seinen Gast darauf angesprochen hat, werden wir nie erfahren. Absolute Diskretion ist ein Markenzeichen der legendenumwobenen Diplomatie des Vatikans. Jedenfalls tritt die Katholische Kirche überall dort, wo sie die Öffentlichkeit sucht, als unbedingte Verteidigerin der Menschenrechte und Gegnerin der Todesstrafe auf.

Der Iran ist aktiver und aggressiver Mitspieler im Nahen Osten: Iranische Offiziere beraten den Generalstab des syrischen Machthabers Assad. Vom Iran finanzierte Milizen kämpfen Seite an Seite mit der syrischen Armee. Dabei geht es dem schiitischen Gottesstaat letztlich um nackte geopolitische Tatsachen - um den Zugang zum Mittelmeer. In der Golfregion verschärft Teheran den Uralt-Konflikt mit der sunnitischen Vormacht Saudi-Arabien, lässt dazu Stellvertreter im Jemen kämpfen und führt diplomatische Vabanque-Spiele auf.

Trippe Christian F. Kommentarbild App
DW-Korrespondent Christian F. TrippeBild: DW

Der Atom-Kompromiss, der überprüfbare Verzicht Teherans auf nukleare Waffen, hat die Europa-Reise Rohanis erst möglich gemacht. Trotz dieses Atom-Deals gilt das Regime in Teheran vielen in den USA - dem traditionellen Verbündeten der Saudis - als Teil einer "Achse des Bösen". Wohl auch, weil der Schiiten-Staat derart unverblümt nach der Macht in der Region greift. Das alles ficht den Vatikan nicht an, im Gegenteil. Die Diplomaten des Papstes warben schon immer überaus hartnäckig dafür, dass Teheran mit am Tisch sitzen muss, wenn über eine Beilegung des Krieges in Syrien verhandelt wird. Es dauerte Jahre, bis sich die Einsicht überall durchsetzte, dass neben den Saudis auch für die Iraner ein Stuhl am Verhandlungstisch stehen muss.

Die Bataillone des Papstes

Sowjet-Diktator Stalin soll höhnisch gefragt haben: "Wie viele Bataillone hat denn der Papst?" Es ist je nach weltanschaulichem Standpunkt ein historischer Treppenwitz, das Wirken des Weltgeistes oder eben des heiligen Geistes, dass später ausgerechnet ein Papst - nämlich Johannes Paul II. und seine klandestine Diplomatie - maßgeblich zum Sturz des Kommunismus in Osteuropa beitragen hat. Die politischen Mittel des Vatikan werden häufig unterschätzt. Für den Kirchenstaat ist das von Vorteil, so können Kardinäle und Emissäre unbeschwert von Erwartungen agieren. Mehrfach hat der Vatikan die Welt in der jüngsten Zeit verblüfft: mit seinem erfolgreichen Einsatz, Russen und Amerikaner dazu zu bewegen, gemeinsam die syrischen Chemiewaffen zu entsorgen zum Beispiel. Oder auch mit seiner Hilfe, die zum Ende der Eiszeit zwischen den USA und Kuba führte.

Nach dem Gespräch zwischen Präsident Rohani und Papst Franziskus erklärte der Vatikan, nun solle der Iran dabei mithelfen, die Gewalt im Nahen Osten beizulegen und der Ausbreitung des Terrorismus und des Waffenschmuggels entgegen zu treten. Das ist ganz schön viel Klartext für einen, der doch angeblich gar nicht gekommen war, um über Politik zu reden.

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