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Politik

Mit Phrasen wird der Regenwald nicht gerettet

Kommentarbild PROVISORISCH Johan Ramirez
Johan Ramírez
9. September 2019

Der bessere Schutz des Regenwaldes war Ziel eines Treffens der Präsidenten der Amazonas-Staaten im kolumbianischen Leticia. Doch ein paar schöne Fotos sind das einzige Ergebnis, meint Johan Ramírez.

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Kolumbien, Leticia: Amazonas-Länder beraten über Umwelt- und Entwicklungspolitik
Bild: picture-alliance/dpa/N. Galeano

"Wir schreiben hier gerade Geschichte", sagte der kolumbianische Präsident Ivan Duque, als er und seine Amtskollegen zum Abschluss des Gipfeltreffens der Amazonas-Länder den sogenannten "Pakt von Leticia" unterschrieben. Man hätte ihm das gerne geglaubt. Aber dieses Dokument ist praxisfern und inhaltsleer, die Versprechungen mehr als diffus. Insofern war dieser Gipfel nur ein weiteres pompöses Treffen von Würdenträgern, das keinerlei Nutzen gebracht hat.

Unkonkretes Geschwurbel

Warum so pessimistisch? Aus drei Gründen. Erstens: Der Pakt schreibt zum Beispiel vor (man muss übrigens Geduld aufbringen, um so lange Sätze bis zum Ende zu lesen), "auf Basis der nationalen Politik und ihrer jeweiligen gesetzlichen Rahmen die koordinierte Aktion zur Schätzung des Waldes und der Artenvielfalt zu stärken, ebenso wie gegen die Abholzung und Zerstörung der Wälder zu kämpfen." Fein. Aber was genau heißt das? "Schätzung der Wälder und der Artenvielfalt" - wie passiert das konkret? Und wie soll die weitere Abholzung aufgehalten werden? Vor allem aber: Wenn nach den vergangenen Monaten etwas klar ist, dann ja wohl, dass die "nationale Politik und ihre jeweiligen gesetzlichen Rahmen" eben nicht mehr ausreichen! 

DW Quadriga - Johan Ramírez
Johan Ramírez, DW-Korrespondent in KolumbienBild: DW

Der Pakt schlägt außerdem vor, "Initiativen der raschen Wiederinstandsetzung, Rehabilitation und Aufforstung der Gebiete, die durch die Waldbrände und illegalen Aktivitäten einschließlich des illegalen Abbaus von Bodenschätzen zerstört wurden, sowie der Wiedererlangung von Arten und die Funktionsfähigkeit des Ökosystems, im Hinblick auf die Abschwächung dieser Auswirkungen zu konkretisieren." Aha. Nach diesem Satz fragt man unwillkürlich, was konkret da eigentlich konkretisiert werden soll? Ab wann? Wie? Und mit welchen Mitteln? Der Amazonas-Regenwald braucht dringend Entscheidungen und Sofortmaßnahmen. Doch genau die finden sich in diesem Pakt leider nicht!

Zweitens: Die Unterzeichner des Paktes versprechen, die illegale Förderung von Bodenschätzen am Amazonas zu bekämpfen. Jedoch war Venezuela nicht zu dem Treffen eingeladen. Die Gründe hierfür liegen auf der Hand: Es wäre ein politischer Widerspruch gewesen, Nicolás Maduro einzuladen, den die Mehrheit der Anwesenden nicht mehr als legitimen venezolanischen Präsidenten anerkennt. Noch absurder wäre jedoch eine Einladung an Juan Guaidó gewesen, der gar keine Hoheitsgewalt über das Land hat. Wie dem auch sei - 85 Prozent der illegalen Minen in der Amazonas-Region befinden sich auf venezolanischem Staatsgebiet. Wie also will man ohne jede Zusammenarbeit mit Venezuela dieses Übel mit dem "Pakt von Leticia" bekämpfen?

Die wirklich heißen Themen umgangen

Und drittens: Die Vertreter aller Länder mieden die wirklich heißen Themen, die tatsächlich entscheidenden Einfluss auf die Umwelt und das Klima haben. Während inzwischen die ganze Welt den von Jair Bolsonaro geduldeten extremen Anstieg der Abholzung in Brasilien verurteilt, und während die kritischen Stimmen zur unbegrenzten Brandrodung in Bolivien, die Evo Morales per Dekret erlaubt hat, immer lauter werden, wanden und bogen sich die Präsidenten in Leticia um genau diese zentralen Probleme herum.

Der Pakt von Leticia kommt daher wie ein guter Vorsatz zum Jahreswechsel, der am 1. Januar bereits wieder vergessen ist. Dieses Dokument ist eine Sammlung von unverbindlichen Absichtserklärungen, aber nichts, was den Amazonas-Regenwald retten kann. Und, mit Verlaub Herr Präsident Duque: Der Pakt von Leticia ist schon gar nichts, was jemals in die Geschichte eingehen wird.