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Mut und schnelles Handeln

12. September 2011

Nach 18 Monaten Dauerkrise steht Griechenland vor der Pleite. Nun helfen nur noch mutige Entscheidungen und ein Insolvenzverfahren, meint Bernd Riegert in seinem Kommentar.

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Themenbild Kommentar
Bild: DW

In der deutschen Regierung setzt sich wohl die längst überfällige Ansicht durch, dass Griechenland nach 18 Monaten Dauerkrise pleite ist. Schade nur, dass sich die Koalitionsparteien nicht einig sind. Der liberale Wirtschaftsminister Rösler spricht von einer Staatsinsolvenz in Griechenland, der konservative Finanzminister Schäuble lässt Untergangs-Szenarien dementieren. So schafft man nun wirklich kein Vertrauen in das Krisenmanagement der Bundesregierung, die den wichtigsten Einzahler in sämtliche Rettungsfonds vertritt. Dementsprechend prompt kommt auch die Quittung: Die Börsenkurse europäischer Banken stürzen weiter ab. Der deutsche Aktienindex fällt. Die Zinsen für griechische Staatsanleihen liegen bei aberwitzigen 21 Prozent. Die Finanzmärkte, die ja angeblich die zukünftige Entwicklung abbilden, nehmen das vorweg, was unausweichlich ist.

Bernd Riegert
Bernd RiegertBild: DW

Griechenland kann nur noch mit einem Insolvenzverfahren geholfen werden. Jetzt müsste die europäische Politik - die deutsche Bundeskanzlerin voran - nur noch den Mut finden, dies endlich auch zu sagen und schnell zu handeln. Insolvenz bedeutet im Falle Griechenlands aber nicht das, was man sich gemeinhin bei der Pleite einer Firma vorstellt. Das Unternehmen kann aufgelöst werden, die Mitarbeiter werden entlassen, Gläubiger abgefunden. Das geht bei einem Staat natürlich nicht. Griechenland kann man nicht auflösen, seine Bürgerinnen und Bürger sind natürlich auch nach einer Insolvenz noch da, sie können nicht entlassen werden.

Gemeint ist folglich ein umfassender Schuldenschnitt. Die Gläubiger müssen auf die Rückzahlung eines großen Teils ihrer Forderungen verzichten. Der Staat Griechenland verliert einen großen Teil seines Vermögens.

Neustart fürs Finanzsystem?

Ob Griechenland in der Euro-Zone verbleibt, also den Euro weiter als Währung behält, ist dabei gar nicht so wesentlich. Die Schulden hat Griechenland in Euro, insgesamt 340 Milliarden, angehäuft. Und die Schulden bleiben auch in Euro erhalten, allerdings werden sie durch den Schuldenschnitt erheblich vermindert. Die Einführung einer neuen Währung hätte dann Sinn, wenn Griechenland sein gesamtes Finanzsystem sozusagen neu starten will. Durch die Abwertung der neuen Währung gegenüber dem Euro würden Exporte billiger, Einfuhren aber teurer. Nach Aufgabe des Euro würde Griechenland Jahrzehnte brauchen, um sich selbst aus dem Sumpf zu ziehen und sich wieder so weit vorzukämpfen, bis es erneut in die Euro-Zone eintreten könnte.

Die technischen Einzelheiten einer Umschuldung und einer Währungsreform in Griechenland werden in Berlin und Brüssel schon seit Monaten durchgespielt. Es wäre ja fahrlässig, sich nicht auf diese Möglichkeit vorzubereiten. Griechische Banken müssten geschlossen werden. Die griechischen Bürger müssten daran gehindert werden, ihr Geld in die übrige Euro-Zone zu schaffen. Das muss man vorbereiten.

Bittere Wahrheiten

Die Folgen einer griechischen Pleite kann niemand in allen Einzelheiten voraussagen. Betroffen wären natürlich die Gläubiger, die auf ihren Schuldentiteln sitzen bleiben. Banken, andere Euro-Staaten und vor allem auch die Europäische Zentralbank, die Staatsanleihen aus Hellas besitzen, würden Verluste machen. Diese müssten zum Teil durch die europäischen Rettungsschirme aufgefangen werden. Die EZB würde Kapital von ihren Anteilseignern, den Staaten der Euro-Zone bekommen müssen. Im jeden Fall zahlen am Ende die Steuerzahler in den solventen Euro-Staaten die Kosten der Umschuldung mit. Diese bittere Wahrheit muss den Menschen in der Euro-Zone endlich klargemacht werden.

Auch wenn Griechenland aus der Euro-Zone ausscheidet, ist es ja immer noch Mitglied in der Europäischen Union und auf Solidarität durch seine Nachbarn angewiesen. Der populistisch geforderte Rauswurf Griechenlands aus der Euro-Zone wäre ein politisches Signal, die wirtschaftlichen Probleme des Landes löst er natürlich nicht. Die größte Gefahr, die von einem Schuldenschnitt in Griechenland ausgeht, ist die Möglichkeit, dass die Finanzmärkte sofort andere Staaten wie Portugal, Spanien, Italien oder auch Frankreich unter Druck setzen und die Kosten für Staatsanleihen ins Absurde steigern. Dann würde kein Rettungsschirm mehr groß genug sein, zusammenbrechende Banken zu retten und die Staaten mit Krediten zu versorgen.

Da es für den Fall einer Staatsinsolvenz innerhalb einer Währungsunion kein Vorbild, keine Blaupause gibt, ist das Risiko schwer einzuschätzen. Wahrscheinlich wäre es wirkungsvoll, den Schuldenschnitt nicht nur in Griechenland, sondern parallel auch in anderen überschuldeten Staaten vorzunehmen. Undenkbar? Noch vor Wochen wurde ein Schuldenschnitt in Griechenland für undenkbar erklärt, jetzt steht er unmittelbar bevor.

Autor: Bernd Riegert
Redaktion: Sonila Sand