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Muhammad Ali: Nicht perfekt, aber der Größte

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Tobias Oelmaier
4. Juni 2016

Muhammad Ali war mehr als ein erfolgreicher Sportler. Sein Tod reißt eine Lücke und seine Einzigartigkeit lässt kaum Raum für ebenbürtige Nachfolger, meint DW-Sportredakteur Tobias Oelmaier.

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Muhammad Ali nach seinem Sieg im WM-Kampf gegen Liston 1965
Bild: Neil Leifer

"Der König ist tot, lang lebe der König!", hieß es früher in Monarchien. Das gilt auch für den Sport. Jedes Zeitalter gebiert seine Helden. Jetzt aber ist Ali tot. Held der 60er, 70er und frühen 80er-Jahre. Der Größte, der Schönste, der Stärkste. Doch wer tritt in seine Fußstapfen? Wer hat es in den vergangenen drei Jahrzehnten geschafft, ihm auch nur das Wasser zu reichen?

In drei Jahrzehnten, in denen Muhammad Ali sich noch nicht einmal hätte wehren können, nachdem die tückische Krankheit Parkinson aus dem stolzen Olympiasieger und Weltmeister früh einen gebrechlichen Mann gemacht hatte, oft betäubt von starken Medikamenten. Ohne Kontrolle über seine Gestik, die einst so viel Respekt verbreitet hatte. Über sein Lächeln, das so viel Charme ausstrahlen konnte. Keine Gewalt mehr über seine Zunge, die doch oft so scharf, so verletzend war.

Mehr als ein erfolgreicher Boxer

Was für eine Ironie des Schicksals! Denn Ali war mehr als ein erfolgreicher Boxer. Mehr als ein Olympiasieger und Weltmeister. Davon hat die Sportwelt schon viele gesehen, noch mehr werden folgen. Er war auch nicht perfekt. Tragische Niederlagen, taktische Fehler im Ring, gescheiterte Ehen, Sprüche, über die er sich vielleicht sogar selbst im Nachhinein geärgert haben mag - Sportleralltag.

Aber Ali tat das Unerwartbare, brach mit Konventionen. Das alte Boxergesetz, wonach entthronte Weltmeister nie zurückkommen, führte er gleich zweimal ad Absurdum. Als ihn die Experten längst in den Ruhestand kommentiert hatten, stieg er wie Phoenix aus der Asche. Er stellte den gesamten Profisport auf eine neue Ebene, hatte begriffen, wie wichtig eine geschickte PR ist. Legendär seine Provokationen vor wichtigen Kämpfen, seine Kreativität, wenn es darum ging, Gegner zu beleidigen und sich selbst in einem noch strahlenderen Licht erscheinen zu lassen.

DW-Redakteur Tobias Oelmaier (Foto: DW)
DW-Redakteur Tobias Oelmaier

Kämpfer gegen Rassismus und das Establishment

Er polarisierte und war sich dabei seiner Wirkung wohl auch bewusst. Schnöselig, selbstherrlich und arrogant auf der einen Seite, riskierte er andererseits als Kriegsdienstverweigerer seine Karriere. Nur gegen Kaution entging er einer Gefängnisstrafe. Er engagierte sich in der Emanzipationsbewegung der Schwarzen in den USA und konvertierte zum Islam. Seine Boxkämpfe waren Klassenkämpfe, Stellvertreterkriege. Ali gegen das Establishment. Ali gegen die Rassisten. Und doch war er weder schwarz noch weiß. Er war der Größte seiner Zeit, vielleicht aller Zeiten. Nicht nur der größte Boxer, sondern der größte Sportler überhaupt.

Keine Frage: Ali hätte ein besseres Ende verdient. Seine Karriere hätte er früher aufgeben sollen, nicht erst mit fast 40 und einer Niederlage gegen Trevor Berbick. Und sein Leben hätte auch gnädiger enden können. Heroischer vielleicht. Aber es passt zur Einzigartigkeit von Muhammad Ali, dass es nicht so gekommen ist. Nur schlechte Filme haben ein gutes Ende, heißt es. Und Ali spielte definitiv in einem guten. Im größten. Im besten. Im schönsten. Ali war Ali war Ali!

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