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Gesellschaft

Nicht wegschauen, einmischen!

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Ines Pohl
7. August 2018

Jahrelang vergewaltigte eine Mutter ihren Sohn und verkaufte ihn an Freier im Internet. Der Fall erschüttert Deutschland. Dabei darf es aber nicht bleiben: Zivilcourage ist gefragt, fordert DW-Chefredakteurin Ines Pohl.

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Bild: Fotolia/Bobo

Die Berichte sind kaum zu ertragen. Wie kann es nur möglich sein, dass eine Mutter über Jahre hinweg nicht nur ihrem Lebensgefährten erlaubt, ihren Sohn zu vergewaltigen, sondern dem Kind auch selbst sexuelle Gewalt zufügt? Und damit nicht genug. Über Internetforen boten sie den Jungen Freiern in der ganzen Welt an. Der Fall hat Deutschland erschüttert. Jetzt wurden die Angeklagten verurteilt.

Wie können Menschen, wie kann eine Mutter nur zu so etwas fähig sein? Wie viel Böses steckt in uns? Die Bilder, die sich ins Bewusstsein drängen, sind so unerträglich, dass man sich am liebsten davor verschließen würde. Es gibt ja sowieso schon so viele schlechte Nachrichten in diesen Tagen. Das ist doch alles nicht auszuhalten.

Gerade zehn Jahre alt

Stimmt, bei der konkreten Vorstellung, was der kleine Junge erlebt hat in den vergangenen Jahren, wird einem schlecht. Zehn ist er gerade geworden. Man möchte sich einfach nur abwenden.

Und darf aber genau das nicht tun.

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DW-Chefredakteurin Ines PohlBild: DW/P. Böll

Zwar ist dieser Fall im süddeutschen Staufen extrem. Es ist aber nicht so, dass es nicht auch anderswo in Deutschland unvorstellbare sexuelle Gewaltexzesse in Familien gibt. Und wie in Staufen wird im Nachhinein meist bekannt, dass den Behörden, den Jugendämtern durchaus Informationen vorlagen, die hätten aufhorchen lassen müssen. Wie kann es sein, dass in einem Land wie Deutschland mit diesen aufwändigen Behördenstrukturen ein vorbestrafter Pädokrimineller unter einem Dach mit einem kleinen Kind lebt? Denn das war der Fall in Staufen.

Mehr Geld für Jugendämter

Sinn in Gewaltverbrechen wie dem in Staufen zu suchen, ist zwecklos. Sie müssen die deutsche Gesellschaft aber in die Auseinandersetzung zwingen. Jugendämter müssen endlich besser ausgestattet werden, damit sie alles tun können, um die Kinder wirklich zu beschützen. Es ist nicht zu akzeptieren, dass in diesem reichen Land die Ämter beklagen, nicht genügend Kapazitäten zu haben, um Hinweisen wirklich in der Tiefe nachzugehen. Letztlich ist aber auch jeder einzelne gefragt, hinzuhören, hinzuschauen, zu berichten, wenn etwas auffällt. Auch wenn das bedeutet, die eigene Komfortzone verlassen zu müssen.

Denn eine Gesellschaft muss sich immer daran messen lassen, wie sie mit ihren Schwächsten umgeht. Und eine Gesellschaft ist keine abstrakte Größe. Sie besteht aus uns, aus Ihnen und mir. Wir sind diejenigen, die die Augen nicht verschließen dürfen.

 

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Ines Pohl Büroleiterin DW Studio Washington@inespohl