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Politik

Fleisch muss teurer werden

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Jens Thurau
20. Mai 2020

Die Regierung will nach vielen Infektionen in diesem Bereich die Werkverträge für billige Arbeitskräfte auf Schlachthöfen verbieten. Gut so. Aber bitte nicht jammern, wenn das Konsequenzen hat, meint Jens Thurau.

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Deustchland Arbeit im Schlachthof
Bild: Imago Images/Westend61

Was so alles möglich ist in diesen verstörenden Zeiten: An diesem Mittwoch hat die Bundesregierung beschlossen: In einem großen Teil der Fleischindustrie in Deutschland soll es von Anfang 2021 an keine Werkverträge mehr geben, die Strafgelder für Verstöße gegen Arbeitsbestimmungen werden verdoppelt. Und all das in großer Geschwindigkeit, weil es auf diversen Schlachthöfen in Deutschland in den vergangenen  Tagen hohe Infektionszahlen mit dem Coronavirus gab.

Die Zustände in deutschen Schlachtbetrieben sind schon seit vielen Jahren ein Thema. Billige Arbeitskräfte aus Polen und Rumänien verrichten im Auftrag von Subunternehmen mit Werkverträgen die schwierige Arbeit und werden in engen und teuren Sammelunterkünften untergebracht. Bislang konnte sich die Industrie mit einer lauen Selbstverpflichtung, die kaum Resultate zeitigte, von harten Auflagen drücken. Denn der Preiskampf um das Fleisch, das die Deutschen so lieben, ist heftig und führt letztendlich zu den unzumutbaren Bedingungen. Aber jetzt, in der Corona-Krise, geht plötzlich, was jahrelang nicht ging.

Wird jetzt das Bundesverfassungsgericht angerufen?

Bleibt abzuwarten, ob die konkrete Ausgestaltung der härteren Gangart gegen die Fleischindustrie wirklich so kommt, wie jetzt angekündigt. Schon protestieren Branchenvertreter lautstark und verweisen nicht ganz zu Unrecht darauf, dass es Werkverträge auch in anderen Branchen gibt, auf dem Bau etwa.

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DW-Hauptstadtkorrespondent Jens Thurau

Ein gesetzliche Verbot nur für die Fleischindustrie? Mal sehen, was das Bundesverfassungsgericht dazu sagt, sollte es angerufen werden. Und ob sich die Arbeitsbedingungen wirklich bessern, wenn die Betriebe künftig nur noch einige Angestellte im Schlachthof beschäftigen dürfen, muss auch abgewartet werden. Die behördlichen Kontrollen jedenfalls fielen in den zurückliegenden Jahren sehr dünn aus, weil dem Staat das Personal fehlte. Da muss also nachgelegt werden. Aber ein Anfang ist gemacht.

Die Deutschen aber, die so gern Würste essen, Steaks verzehren und grillen, sollen sich bitte nicht wundern, wenn das liebe Fleisch bald teurer wird. Die Menschen in Deutschland, das reichste Volk in Europa, geben im Verhältnis zu anderen Ländern wenig Geld aus für Lebensmittel und haben sich an die "Bei uns noch billiger"-Unterbietungsangebote der großen Discounter längst gewöhnt.

So genau wollen es die meisten dann doch nicht wissen

Eine Minderheit geht vor allem zu bestimmten Anlässen wie Weihnachten in den Bioladen, der nachhaltige Produkte anbietet, die Masse tut das nicht. Wenn wir Filme im Fernsehen sehen von den Zuständen in der Fleischindustrie, werden wir ungehalten. Und manche, die schon einmal in einer Pizza-Fabrik gearbeitet haben, verzichten danach freiwillig darauf. Aber so ganz genau wollen es die absolut meisten dann doch nicht wissen, wer wo wie unser Fleisch herstellt. Hauptsache es ist billig.

Es gibt nichts Positives an der Corona-Krise. Sie hat schon unendliches Leid verursacht. Positiv aber wäre, wenn die Lehren, die jetzt ab und an und überraschend schnell gezogen werden, etwas länger als nur für ein paar Monate zu Änderungen führen. Auf den Schlachthöfen, auf den Spargelfeldern, in der Pflege, auf dem Bau. Aber dann bitte alle mitziehen. In diesem Fall: Mehr zahlen für das Fleisch, öfter mal ganz drauf verzichten. Und nicht mehr wegschauen, wenn die Bedingungen eigentlich unhaltbar sind, wie sie es lange vor Corona schon waren.