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Politik

Nigerias gescheiterter Hoffnungsträger

Kriesch Adrian Kommentarbild App PROVISORISCH
Adrian Kriesch
22. Februar 2019

Am Samstag fand in Nigeria im zweiten Anlauf die Präsidentschaftswahl statt. Amtsinhaber Buhari will wiedergewählt werden. Doch bisher ist er krachend gescheitert, meint der DW-Afrika-Korrespondent Adrian Kriesch.

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Nigeria Wahlen
Bild: picture-alliance/AA/A. Abu Bashal

Die nordnigerianische Metropole Kano Anfang 2015. Zehntausende Nigerianer sind auf der Straße, in den Händen halten sie Plakaten von Muhammadu Buhari und Besen - das Symbol seiner Partei. Die Euphorie ist greifbar. Buhari will das hochgradig korrupte Land aufräumen. Beim Wahlkampf in Kano verspricht er das seinen Anhängern, die sich fast zu Tode drängeln, um einen Blick auf Buhari zu werfen. Er ist ein Politiker, der selbst bei seinen politischen Gegnern als nicht korrupt gilt. Das ist in Nigeria eine Sensation. Als er am Palast des Emirs ankommt - dem muslimischen Oberhaupt der Region -, stürmen tausende Menschen das Gelände. Buhari kommt nicht aus seinem Wagen, weil sich zu viele Menschen darum drängen. Er muss wieder umdrehen. 

Damals wurde Buhari von Teilen der Bevölkerung fast als Heiliger verehrt. Doch mittlerweile ist Ernüchterung eingekehrt. Drei zentrale Wahlkampfversprechen hatte er - die Resultate sind bescheiden.

Mehr gewaltsame Konflikte

Die Sicherheitslage wollte der ehemalige General verbessern. Doch während der Kampf gegen die islamistische Terrorgruppe Boko Haram im Nordosten Nigerias zunächst erhebliche Fortschritte machte, kochten in vielen anderen Ecken neue Konflikte hoch: Zusammenstöße zwischen Farmern und Viehhirten im Zentrum des Landes, Entführungen und Gewalt im Bundesstaat Kaduna, kriminelle Banden in nordwestlichen Bundesstaat Zamfara. Buhari reagierte fast immer erst, als es dreistellige Opferzahlen gab. Immerhin, im Niger-Delta bleibt die Lage relativ ruhig. Aber auch nur, weil Buharis Regierung entgegen vorheriger Versprechen weiterhin Militante dafür bezahlt stillzuhalten.

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Kriesch Adrian, DW-Korrespondent in Afrika

Und im Nordosten? Dort hat sich die Lage wieder dramatisch zugespitzt: 60.000 Menschen mussten in den vergangenen drei Monaten aus ihrer Heimat fliehen. Der Ort Rann, der in Buharis Amtszeit fälschlich von der Luftwaffe bombardiert wurde, ist nach einem erneuten Boko-Haram-Angriff verlassen, tausende Bewohner flüchteten ins benachbarte Kamerun.

Wie kann so etwas wiederholt passieren? Warum bekommt das Militär trotz Milliarden-Budget die Situation nicht in den Griff? Statt Frieden zu schaffen, feuerten Soldaten 2018 erneut auf Dutzende unbewaffnete Schiiten vor den Toren der Hauptstadt und eskalierten so die Lage bis zur nächsten Krise. Und, wie immer in Buharis Amtszeit, ohne Konsequenzen: Das Militär nimmt eigene Ermittlungen auf - ohne echte Resultate, maximal mit einem Bauernopfer. Der Präsident schweigt.

Desolate Wirtschaftsbilanz

Sein zweites Thema: der Kampf gegen Arbeitslosigkeit. Seit der Präsident an der Macht ist, sind die Arbeitslosenzahlen von 8,2 auf 23,1 Prozent gestiegen. Wer in der Wirtschaftsmetropole Lagos mit Nigerianern spricht, muss schon ziemlich lange suchen, um jemanden zu finden, der ein gutes Haar am Präsidenten lässt. Man kann Buhari nicht vorwerfen, dass er von seinem Vorgänger eine geplünderte Staatskasse und eine ölabhängige Wirtschaft übernahm, die wegen des niedrigen Ölpreises am Boden lag. Sein Wahlversprechen war gut und wichtig: die Wirtschaft endlich zu diversifizieren, die lokale Produktion zu stärken.

Doch seine politischen Ansätze gingen nach hinten los. Das Einfuhrverbot von Tomatenmark führte beispielsweise weniger zu einer boomenden Tomatenproduktion, sondern eher dazu, dass im nigerianischen Tomatenmark kaum noch Tomaten sind. Wirtschaftsexperten und Geschäftsleute schauen zurecht irritiert bis schockiert, wenn sich Buhari mal wieder selbst wegen seiner wirtschaftlichen Verdienste auf die Schulter klopft.

Buharis Popularität ist verbraucht

Immerhin: Den wichtigen Anti-Korruptionskampf, sein drittes Versprechen, treibt er voran. Doch das System ist so korrupt, dass es nur langsam vorangeht. Wie bei allen seinen Wahlkampfversprechen merkt man: Buhari will alles selbst kontrollieren und richten - kann es aber nicht. Er ist 76 Jahre alt, war während seiner Amtszeit monatelang in medizinischer Behandlung im Ausland. Doch die Probleme in Afrikas bevölkerungsreichstem Land warten nicht. Sie werden immer größer.

Als Buhari während des Wahlkampfes bei seiner sogenannten Mega Rally in der 20-Millionen-Metropole Lagos für seine Rede zum Mikrofon geht, stehen nur noch 5000 Menschen vor der Bühne und hören in drei Minuten Redezeit eine simple Nachricht: Wählt mich nochmal, damit ich meine Wahlversprechen von 2015 erfüllen kann.

Ein schwacher Gegenkandidat

Eigentlich spricht alles für eine krachende Wahlniederlage für Buhari. Dass die Wahlbehörde am vergangenen Samstag nur wenige Stunden vor der Öffnung der Wahllokale den Urnengang um eine Woche verschob, brachte der Regierung zusätzliche Kritik. Aber aus zwei Gründen dürfte sich Buhari im Amt halten: Erstens hat der Präsident im bevölkerungsstarken Norden Nigerias bedingungslos loyale Anhänger. Und zweitens sehen viele Nigerianer keine bessere Alternative. Die stärkste Oppositionspartei ist die Peoples Democratic Party, die PDP. Jene Partei, die Nigeria in 16 Jahren Regierungszeit kaum vorangebracht hat. Ihr Kandidat Atiku Abubakar ist 72, ehemaliger Vize-Präsident und ein Zollbeamter, der eine Logistikfirma gründete und plötzlich steinreich wurde. Von Nigerias korrupten Gerichten wurde er nie verurteilt - aber kaum ein Nigerianer nimmt ihm ab, eine weiße Weste zu haben. Eine glaubhafte Vision für die Zukunft Nigerias: Fehlanzeige.

Trotzdem wird es ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Buhari und Atiku geben. Immer wieder hört man in diesen Tagen in Nigeria: Wir müssen uns für das kleinere Übel entscheiden. Doch das stimmt nicht ganz. Es gibt fast 70 weitere Kandidaten für das Präsidentenamt. Auf der Liste finden sich einige kluge Köpfe, die nicht zu dem Teil der Elite gehören, der das Land seit Jahren herunterwirtschaftet. Sie verdienen mehr Aufmerksamkeit - und eine Chance, das Land zu regieren.