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Nur eine Zwischenlösung

Florian Weigand30. September 2014

Das endlich abgeschlossene Sicherheitsabkommen zwischen Afghanistan und den USA mag mittelfristig für etwas Ruhe sorgen. Ein echter Friede am Hindukusch ist aber in weite Ferne gerückt, meint Florian Weigand.

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Afghanistan US Soldaten mit afghanischen Soldaten Archiv 2009 Kabul
Bild: picture-alliance/dpa/Marcel Mettelsiefen

Nach fast sechs Monaten eines zähen Wahlprozesses war am Schluss binnen zehn Tagen alles erledigt: Zuerst einigen sich die beiden Präsidentschaftskandidaten auf eine Doppelspitze, am Montag dann die Vereidigung und jetzt die Unterschrift unter das lang ersehnte Sicherheitsabkommen mit den USA. Die Zeit drängte: Wäre das Papier nicht unterzeichnet worden, würden alle US-Truppen aus dem Land abziehen, egal welche Sicherheitslage sie am Hindukusch hinterlassen.

Die USA wollen am Hindukusch bleiben

Das war zumindest die Drohkulisse, vor der die Regierung in Washington ihr diplomatisches Drama aufführte. Denn die Realität sieht anders aus. Selbst wenn sich das Abkommen weiter verzögert hätte - die USA hätten schon irgendeine Zwischenlösung gefunden, nur um keinesfalls aus Afghanistan abrücken zu müssen. Ein Blick in den Irak genügt: Dort haben die US-Truppen zügig ihre Rucksäcke gepackt, nachdem ein ähnlicher Deal mit Bagdad gescheitert war. Das Ergebnis ist heute ein krebsartig wuchernder "Islamischer Staat", der die gesamte Region zu verschlingen droht. Dasselbe mit den Taliban durch zu machen, können sich die USA - und auch die gesamte Weltgemeinschaft - nicht leisten. Nicht nur Afghanistan wäre bedroht, auch der Nachbar - die Atommacht Pakistan mit ihrem eigenen Talibanproblem.

Wie sehr die USA zu Kompromissen bereit waren, zeigte sich überdeutlich: Hamid Karsai, seit Montag nun Ex-Präsident, zauderte, das Abkommen zu unterschreiben - selbst als vor knapp einem Jahr eine große Ratsversammlung mit der Oberschicht Afghanistans ihn zur Unterschrift drängte. Das ließen ihm die USA genauso durchgehen, wie einen zweiten verpatzten Termin beim der NATO-Gipfel Anfang des Monats in Wales, als sein Nachfolger nach Monaten des Wahlgerangels immer noch nicht fest stand. Die USA drohten zwar, auch im zivilen Bereich den Geldhahn abzudrehen, ließen den Worten wohlweislich aber keine Taten folgen.

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Florian Weigand, Leiter der Paschtu- und Dari-Redaktion der DWBild: DW/P. Henriksen

Etikettenschwindel

Das Aufatmen in den Militärstäben muss groß sein, dass das Abkommen nun endlich Realität wird und sie Planungssicherheit erhalten. Nachdem sich Washington und Kabul geeinigt haben, ziehen auch andere NATO-Partner mit. Die Marschrichtung ist klar: 12.000 ausländische Soldaten werden über das Jahresende hinaus in Afghanistan bleiben, davon 9.800 GIs. Aber nur ein Bruchteil davon, 1200 bis 1400 Mann, werden wirklich die afghanische Armee ausbilden. Die große Mehrheit sorgt für die Logistik.

Doch dass der Kampfeinsatz damit endet, ist ein Etikettenschwindel. Auch Kampftruppen bleiben - offiziell zum Schutz der Ausbilder und Nachschubspezialisten. Die Taliban haben aber bereits angekündigt, so lange weiter zu kämpfen, bis auch der letzte westliche Soldat das Land verlassen hat. Unweigerlich werden sich also die Militärs im Anti-Terrorkampf verstricken. Ihre Präsenz und die Zusammenarbeit mit - hoffentlich regierungsloyalen -afghanischen Truppen mögen in manchen Gebieten mittelfristig für mehr Ruhe sorgen. Doch ein echter Friede für Afghanistan ist in weite Ferne gerückt und eine zukunftsweisende Strategie dafür ist nicht in Sicht.