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Kommentar: Orientalische Despotie und deutsche Ordnung

29. November 2007

Am 2. Dezember wird in Russland die Staatsduma gewählt. Letztendlich ist es jedoch eine Abstimmung über das "System Putin", deren Ergebnis absehbar ist, meint Alexander Warkentin in seinem Kommentar.

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Bild: DW

Die Staatsduma ist kein Parlament im westlichen Sinne. Vielleicht hilft ein Vergleich mit der Volkskammer der ehemaligen DDR. Dort wurde nicht diskutiert und gestritten, dort wurden die Entscheidungen der Führung stürmisch begrüßt. Das gleiche gilt für die Parteienlandschaft in Putins Russland. Auch in der Volkskammer der DDR gab es Alibi-Parteien, wie etwa die Liberalen. Aber sie hatten der Partei der Macht zu folgen - der SED. Für Linientreue sorgte die Stasi. In Putins Russland heißt die Partei der Macht "Einiges Russland".

Ab hier beginnt der Vergleich zu hinken. Die SED klammerte sich, wenigstens sprachlich, an marxistische Dogmen. Die russische Partei der Macht "Einiges Russland" hat keinerlei Ideologie und keinerlei Programm, außer Putin. Deshalb hat der Kreml die Abgeordnetenwahl kurzerhand zu "einem Volksentscheid für Putin" erklärt. Dabei ist Putin nicht einmal Mitglied dieser Partei. Trotzdem nimmt er die ersten drei Plätze in der Wahlliste von "Einiges Russland" ein. Und ganz Russland ist mit Plakaten zugekleistert, die behaupten: "Putins Plan ist der Sieg Russlands". Keiner weiß so genau, gegen wen Russland zurzeit Krieg führt, aber die Botschaft ist klar: wer gegen die Partei "Einiges Russland" stimmt, stimmt gegen Putin, schlimmer noch, er stimmt gegen einen Sieg Russlands.

Geht oder bleibt Putin?

Überall im Lande hängen Bilder von Präsident Wladimir Putin mit dem Slogan: "Putins Plan ist der Sieg Russlands". Der absurde Clou ist aber, dass es einen "Plan Putin", den die Wähler bestätigen sollen, gar nicht gibt. Niemand hat ihn je gelesen, nicht einmal Putin selbst, was er auch freimütig zugibt. Mehr noch, die Verfassung der Russischen Föderation verbietet es Putin, bei der Präsidentschaftswahl am 2. März anzutreten. Er selbst hat mehrmals bekräftigt, dass er sich an die Verfassung hält. Welchen Sinn macht es also, bei einer Abgeordnetenwahl für einen Präsidenten Propaganda zu betreiben, der geht?

Es sei denn, Putin bleibt. Als was auch immer. Im Gespräch ist ein Phantasie-Amt mit der Bezeichnung "Nationalny Lider". Aber Putin spricht Deutsch. Er muss wissen, dass die einzig korrekte Übersetzung von "Nationalny Lider" ins Deutsche "Führer" lautet.

Verwaltung von Macht und Reichtum

Putin liebte die DDR. Seine Jahre dort als KGB-Spion hat er stets als die glücklichsten seines Lebens bezeichnet. Leider gab es in der DDR kein Öl. Dafür gibt es in Russland reichlich davon. Putins Russland ist laut "Transparency International" eines der korruptesten Länder der Welt. Und so ähnelt die von Putin proklamierte "Vertikale der Macht" eher einer Hierarchie der Korruption. Man kennt vergleichbare Staatsformen eher aus so exotischen Ländern wie Saudi Arabien oder Libyen, wo der Machthaber und die von Ihnen eingesetzten Statthalter und Höflinge nicht nur die Macht, sondern auch den Reichtum im Staate verwalten.

Also was und wen wählt Russland am 2. Dezember? Eine Staatsduma, die nicht mehr zu sagen hat, als die Volkskammer in der ehemaligen DDR, einen "Nationalny Lider" oder doch einzig und allein das System Putin, eine Kreuzung aus orientalischer Despotie und deutscher Ordnung?

Alexander Warkentin, DW-Russisch