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Politik

Polens Regierungspartei rudert zurück

Porträt eines Mannes, der eine Brille trägt
Bartosz Dudek
19. Dezember 2016

Nach heftigen Protesten am Wochenende setzt die Regierungspartei von Jaroslaw Kaczynski die umstrittenen Regelungen aus, die die Parlamentsberichterstattung erschweren sollten. Das ist gut so, meint Bartosz Dudek.

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Polen Erneut Proteste gegen Einschränkung der Parlamentsberichterstattung
"Wolne Media" - Freie Medien fordern die Demonstranten in Warschau seit FreitagBild: Reuters/K. Pempel

Syrien, Ukraine, Türkei, Italien, Griechenland - die Liste der Krisenländer in oder nahe an Europa ist lang genug. Eine Krise in Polen, die möglicherweise in Gewalt umschlagen könnte, wäre das Letzte, was das schon jetzt überforderte Europa noch gebrauchen könnte. Es ist daher gut, dass die in Polen regierende national-konservative Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) von Jaroslaw Kaczynski die umstrittene Regelung bis auf weiteres ausgesetzt hat. Sie sah vor, dass Journalisten keine Bild- und Tonaufnahmen von der Parlamentstribüne mehr machen durften; Interviews mit den Abgeordneten hätten nur in einem abgelegenen Medienzentrum gemacht werden können. Darüber hinaus sollten nur noch zwei Parlamentskorrespondenten pro Redaktion Zugang zum Sejm-Gebäude haben.

Alleingang der PiS

Das war eine Regelung, die weder mit den Medien noch mit den Oppositionsparteien zuvor abgesprochen war. Politischer Zündstoff also, den die Opposition nutzte, um die Arroganz der Regierenden zu unterstreichen und zum Protest überzugehen. Die Bilder vom besetzten Rednerpult im Plenarsaal und von der Blockade des Parlamentsgebäudes  durch die Demonstranten gingen um die Welt. Auch jene, die zeigten, wie die Polizei die Ausfahrt für eine Regierungskolonne mit Gewalt durchsetzte.

Dudek Bartosz Kommentarbild App
Bartosz Dudek leitet die Polnische Redaktion der DW

Besonders heftig dabei: Ein Video, das einen jungen Mann während des Polizeieinsatzes zeigt, der sich hinlegte und offenbar eine Verletzung vorgaukelte. Ob die Rauchwolken, die ihn umgaben, von der Polizei eingesetzte Tränengas oder eine von den Demonstranten selbst gezündete Nebelkerze war, bleibt weiterhin ungeklärt. Die gestellte Aufnahme ist deswegen so erschreckend, weil sie ganz leicht zu einer Eskalation hätte führen können. In der von beiden Seiten in den Sozialen Medien angeheizten Atmosphäre genügt nur ein Funke, und die Situation wäre für niemanden mehr kontrollierbar. Man fragt sich: Wer kann Interesse an solch einer Eskalation haben?

Der umstrittene, mächtigste Mann in Polen, Jaroslaw Kaczynski, dürfte die Gefahr inzwischen verstanden haben. Daher die überraschende Stellungnahme seines politischen Ziehsohns, des Staatspräsidenten Andrzej Duda, dass er die Sorgen um die Berichterstattung aus dem Parlament verstehe und zur nun Vermittlung bereit sei. Auch die Erklärung des Senatspräsidenten Stanislaw Karczewski nach einem Treffen mit Chefredakteuren dürfte mit Kaczynski abgesprochen gewesen sein: Die neuen Regeln sollen so lange ausgesetzt bleiben, bis eine einvernehmliche Lösung erarbeitet worden ist.  

Konfrontation statt Konsens

Auch wenn die Entwicklung somit eine überraschende und gute Wende genommen hat, lösen die Bilder der zurückliegenden Tage aus Warschau Besorgnis aus. Eine Politik, die keinen Konsens sucht und stattdessen auf Konfrontation setzt, muss zu Spaltung und kann im schlimmsten Fall sogar zur Gewalt führen. Und das wäre wohl das Schlimmste: Ein instabiles Polen wäre ein Unglück für Europa und eine Freude für dessen Gegner.

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